Democracy for Future – Demokratie gemeinsam mit der jungen Generation gestalten | #ErikaMann

Frido Mann inmitten des Auditoriums seiner Vorlesung "Democracy will win" an der Cal State University im Schiller-Seminar von Dr. Jeffrey C. High

Wie ist der Stand der Demokratie? Verändert die Corona-Pandemie unser Denken? Warum ist es geboten, die Demokratie gemeinsam mit der jungen Generation zu gestalten? Frido Mann entwirft Ideen für die Democracy for Future. Diese Gedanken in seinem Gastartikel wird er für zukünftige Vortragsreisen, digitale Formate sowie ein Buchprojekt weiterentwickeln. Wohin geht es also mit der Demokratie?

Frido Mann ist Schirmherr der Ausstellung „Erika Mann. Kabarettistin -Kriegsreporterin – Politische Rednerin und trägt mit seinen Vorträgen, „Democracy for Peace“ und „Democracy will win“ zum Begleitprogramm bei. Er berichtete erstmals über die Erlebnisse auf seiner Vortragsreise, die ihn im Herbst 2019 durch die USA und Kanada führte. In zwölf Städten sprach Frido Mann über die gegenwärtige Krise der Demokratie in den USA und in Europa. Er begab sich dabei auf die Spuren von Thomas und Erika Mann und setzt deren leidenschaftliches Eintreten für Freiheit und Demokratie fort.

Für die Vernetzungsaktion #ErikaMann greift Frido Mann Ideen aus seiner Vortragsreise durch die USA auf und formt sie weiter. Nach dem Video-Interview mit ihm in der Erika Mann-Ausstellung – wiedergegeben in „Eingefuchst auf Antifaschismus“ –, spricht er hier im Blog direkt zu uns. Lest nun seine Gedanken zur Democracy for Future!

Ist unsere Demokratie am Ende? – Frido Mann

In der gegenwärtigen Krise der Demokratie taucht immer wieder die Behauptung auf, dass unsere Demokratie am Ende sei. Das ist grundfalsch. Denn diese Demokratie hat in Wirklichkeit noch gar nicht richtig begonnen. Es gibt im Zuge der fortschreitenden Weiterentwicklung der menschlichen Spezies im Zeitalter der Aufklärung bisher kaum mehr als ein Konzept von Demokratie vor allem auf dem geduldigen Papier der Verfassung der betreffenden Staaten. Und es gibt zweifellos auch immer wieder relativ gelungene Versuche der Realisierung. 

Nach den noch nicht ganz greifenden Vorformen in den Stadtstaaten der griechischen und römischen Antike sind diese Versuche so einigermaßen richtig erst in der frühen Neuzeit mehr oder weniger erfolgreich zum Einsatz gekommen – hier vor allem in den angelsächsischen Ländern und dann erst sehr spät auf dem europäischen Festland. Im Zuge der gegenwärtigen globalen politischen und technologischen Umbrüche haben es bemerkenswerterweise die beiden ältesten, über Jahrhunderte recht stabil gebliebenen angelsächsischen Demokratien in letzter Zeit versäumt, 

  1. sich von einigen ihrer inzwischen überholten Strukturen und Denkweisen zu verabschieden und
  2. sich überfälligen Reformen zu stellen.

Damit sind sie in eine, ihre eigene demokratische Tradition gefährdende, politische Sackgasse und damit in eine nationale Existenzkrise geraten. Aus dieser scheint es im Augenblick kein Entkommen zu geben und die ganze Welt droht darin mit hineingezogen zu werden.

Frido Mann inmitten des Auditoriums seiner Vorlesung "Democracy will win" an der Cal State University im Schiller-Seminar von Dr. Jeffrey C. High
Warum ist es wichtig, dass die junge Generation Demokratie mitgestaltet? Erste Gedanken dazu entwickelt Frido Mann in ‚Democracy for Future‘ für unsere Vernetzungsaktion #ErikaMann.

Und auf dem europäischen Festland? Ist es dort besser? Die dortigen Demokratien sind am jüngsten und noch am wenigstens erprobt und stabilisiert. Die meisten von ihnen sind, mit oder ohne längere Unterbrechungen, kaum 100 Jahre alt. Fast alle sind unter schrecklichen Opfern zustande gekommen, die in Osteuropa erst nach langen, schmerzlichen Unterbrechungen wieder erstanden: nach zwei Weltkriegen mit zusammen an die 60 Millionen Toten, Terrordiktaturen, Fremdherrschaft, Unterdrückung, Verfolgung und Massenmorden bis in die Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Westdeutschlands siebzigjährige Demokratie ist heute vergleichsweise besonders stabil. Aber auch da haben die Menschen wieder wachsende Angst vor der rechtsextremen Keule. 

Corona-Pandemie – Test für Demokratie und Menschenwürde

Die gegenwärtige Corona-Pandemie hat wiederum überraschend neue Imperative gesetzt gegen menschenverachtend populistisch nationalistische Rückfälle. Wir erleben dort eine neue tätige Solidarität und berührende Mitmenschlichkeit gegenüber den Kranken, Alten und Schwachen – vor allem geübt durch junge gesundgebliebene Menschen, durch bis zur Erschöpfung oder sogar Ansteckung sich einsetzende Ärzte und durch zahlreiche Helfer. Das regional und national übergreifende und verbindende, mutige Einstehen für die wehrlose Mehrheit, auch gegen das kranke Ego von lernunwilligen, zynischen Corona-Party-Feiernden und rücksichtslosen Hamsterkäufern ist gleichzeitig auch ein Test für authentische Demokratie und Menschenwürde. Im Ausnahmezustand scheiden sich die Geister. Ich sehe in dem neuen Trend des mitmenschlichen Zusammenhaltens in der Not eine Chance für eine Konsolidierung auch in Zeiten nach der Pandemie.

Frido Mann mit neuen Freunden auf dem Campus der Cal State University in Long Beach. Die hier entworfenen Gedanken entwickelt er weiter in Democracy for Future.
Democracy for Future entwickelt Frido Mann weiter, auch im Verbund mit der jungen Generation.

Verteidigung der Demokratie durch Aufklärung und Bewusstmachung

Ich denke, wir Menschen werden nur äußerst langsam reif für die Nutzung unserer Freiheit im Dienste des kostbaren, aber überaus anfälligen Systems unserer jungen, sich noch auf halber Strecke befindenden Demokratien. Dieses Pflänzchen gilt es jetzt wachstumsfördernd zu pflegen und vor ewig gestrigen, antidemokratischen Übergriffen zu schützen. Die vermutlich immer noch in der Mehrheit unschlüssigen, leicht beeinflussbaren Schichten unseres Bürgertums brauchen im weitesten Sinne eine unermüdliche, vertrauensbildende Aufklärung und Bewusstmachung. Dieser Lernprozess kann nicht früh genug in Familie und Schule einsetzen. Von einer gegen Zerstörungsversuche resistenten demokratischen Ordnung sind wir noch meilenweit entfernt. 

Die Voraussetzung für den Aufbau oder Umbau eines freiheitlich demokratischen Systems ist es natürlich, sich erst einmal darüber klar zu werden, wem diese Maßnahmen dienen sollen, für wen sie bestimmt sind. Dazu gehört es als erstes, den Menschen, seine Bedürfnisse und seine Fähigkeiten und Grenzen in seiner jetzigen Entwicklungsphase zu ergründen und zu verstehen. Und so wie die heutige Demokratie in den Kinderschuhen dem gegenwärtigen, noch sehr mittelprächtigen Entwicklungsstand des Menschen entspricht, wird sie sich mit diesem Menschen und aus diesem heraus hoffentlich noch solider als jetzt weiterentwickeln. So wie wir Menschen die für uns selbst geschaffenen technologischen Errungenschaften auch bei der Verzahnung von analoger und digitaler Kommunikation im Blick behalten müssen, damit sie nicht wie Zauberlehrlinge außer Kontrolle geraten, müssen wir auch immer den Zauberlehrling in uns selbst in Schach halten.

Demokratie zusammen mit der jungen Generation gestalten

Sollten wir, liebe Mitdenkende und Mitfühlende, deshalb nicht die uns geschenkte Möglichkeit dieses Miteinanders dafür nutzen, unsere erst vor kurzen 70 oder 100 Jahren hier begonnenen Demokratisierungsversuche sehr viel weiter auszubauen? Und besonders nach meinen Erfahrungen über mehrere Wochen in den USA im vergangenen Herbst betone ich: immer zusammen mit der sich glücklicherweise immer lautstärker bemerkbar machenden jungen Generation im Rücken. Denn gerade diese Generation spürt am ehrlichsten, am klarsten und am drängendsten, dass Begriffe wie „Verständnis“ und „Wertschätzung“ allein leere Worthülsen sind. Sie fühlt, dass es auf die mühsame, praktische Kleinarbeit auf der Basis authentischer Überzeugungen ankommt, auf Identität und Respekt, auf Schutz und Erhaltung.

Aufbau einer liebenswerteren Welt

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang das Wort ‚Liebe‘ anführen. Ich meine nicht die mit dem kirchlichen Zeigefinger angemahnte Liebe, sondern eine lebensnahe Liebe, die wir Menschen alle fundamental brauchen und die wir uns darum immer wieder, leider nur viel zu wenig, gegenseitig zu geben versuchen. Sie ist gerade heute wieder besonders gefährdet durch Feindbilder, Hass und Vernichtungsphantasien. Diese Liebe ist die lebenswichtige Grundlage jeder „Begegnung“, das Fundament unseres freien Miteinanders im weitesten Sinne.

Wollen wir nicht unsere eigenen Pioniere sein beim Aufbau einer liebenswerteren Welt – wendig alles einbeziehend und damit umgehend, was uns in nächster und in fernerer Zukunft von überallher ins Haus stehen mag?

Über seine Erfahrungen während der Vortrags-Reise in den USA berichtet Frido Mann in einem begleitenden Blog: https://fridomann.de/aktuelles-blog/


Vernetzungsaktion #ErikaMann (16. – 27. März 2020)

Ihr könnt bei der Vernetzungsaktion mitlesen und Euch mit den Teilnehmenden vernetzen und austauschen, gerne auch mitdiskutieren. Die Aktion dokumentieren wir mehrfach:

Gastbeiträge im Blog zum Thema:

Autor*innen-Info

Profilbild Frido Mann

Dies ist ein Gastbeitrag von Frido Mann

Frido Mann wurde 1940 in Monterey/California geboren. Er studierte Musik, katholische Theologie und Psychologie, arbeitete als klinischer Psychologe in Münster, Leipzig und Prag und lebt heute als freier Schriftsteller und Essayist in München. Zuletzt erschien von ihm 2018 bei S. Fischer „Das Weiße Haus des Exils“ über das Thomas Mann Haus in Los Angeles. Foto: © Tanja Praske.

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