Von und über Erika Mann: Neun Empfehlungen

Porträt von Erika Mann, 1948

Noch bis Ende Juni 2020 ist die aktuelle Sonderausstellung „Erika Mann. Kabarettistin – Kriegsreporterin – Politische Rednerin“ in der Monacensia im Hildebrandhaus zu sehen. Die erste Einzelausstellung über Erika Mann (1905-1969) widmet sich dem Leben und Werk der ältesten Tochter von Katia und Thomas Mann. Im Mittelpunkt steht Erika Manns konsequentes Eintreten für Freiheit und Demokratie.

Aus diesem Anlass empfehlen die Mitarbeiterinnen der Monacensia ihre Lieblingsbücher von und über Erika Mann.

Peniope Verlag, 86 Seiten

Erika Mann und Richard Hallgarten: Jan‘s Wunderhündchen.

Ein Kinderstück in sieben Bildern

„Der dumme, dumme Jan“ möchte seinen Eltern gerne ein Zauberhündchen an Weihnachten schenken. Zusammen mit seinem Freund Vaduz begibt er sich deswegen auf eine abenteuerliche Reise zur bösen Hexe Offi, die das Zauberhündchen gefangen hält. Trotz vieler Hindernisse schaffen es die beiden, das Zauberhündchen Goldaug rechtzeitig zum Heiligen Abend zu befreien – nicht zuletzt mit der Hilfe von Onkel Thomas und Jans klugen Ideen.

Ein fantasievoll, lustig und leicht geschriebenes Kinderstück passend zur Weihnachtszeit.

Mit einer Erklärung von Erika Mann; Herausgegeben und mit einem Nachwort von Dirk Heißerer.

Empfehlung von Luisa


P. Kirchheim-Verlag, 127 Seiten

Erika Mann: Stoffel fliegt übers Meer

Der zehnjährige Christoph, von allen Stoffel genannt, lebt mit seinen Eltern an einem See in Bayern. Um seine Familie zu unterstützen, muss er als Ruderbootverleiher arbeiten. Um endlich aus der Armut herauszukommen, macht er sich heimlich und allein auf einen abenteuerliche Reise zu seinem Onkel nach Amerika und auch wieder zurück…

Erika Mann beschreibt in ihrer kleinen Abenteuergeschichte ein wirklich sympathischen und sehr mutigen Jungen, der es selbst in die Hand nimmt, etwas an den Lebensumständen seiner Familie zu ändern.

Abgerundet wird die Buchausgabe durch Dirk Heißerers Nachwort, in dem er sowohl auf die Tradition von Kinderbüchern in der Familie Mann als auch auf die Geschichte dieses Buches eingeht.

Diese spannende Lektüre ist verständlich geschrieben und kann bereits Grundschulkindern einen Einblick in das ärmliche Leben um die 1930er Jahre geben.

Hier und da war ich beim Lesen an die Kinderbücher Erich Kästners erinnert – sowohl sprachlich als auch in der Art und Weise, wie Kinder selbständig ihre Probleme meistern.

Bilder und Ausstattung von Richard Hallgarten. Nachwort von Dirk Heißerer

Empfehlung von Doro


Rowohlt Verlag, 269 Seiten

Erika Mann: Zehn jagen Mr. X

„Auf jeden Fall sind die Kinder (…) die eigentlichen Helden dieser Geschichte“, so heißt es gleich im ersten Kapitel von Erika Manns Jugendbuch „Zehn jagen Mr. X“. Diese Kinder, das sind zehn Schülerinnen und Schüler in El Peso in Kalifornien, die teils gebürtige Amerikaner*innen, teils Flüchtlinge aus Europa sind. Sie alle haben ein gemeinsames Ziel: Amerika in seinem Kampf gegen die Nazis zu unterstützen. Dieser Plan wird schnell konkreter als es die Kinder erwartet haben, denn ein deutscher Spion und Saboteur bedroht die Sicherheit in El Peso. Mit vereinter Kraft beginnt die Jagd der Kinder auf Mister X.

Das Buch erschien 1942 in Amerika unter dem englischen Originaltitel „A Gang of Ten“. Erika Mann schrieb es im amerikanischen Exil und unter unmittelbarem Eindruck der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs. Dieser historische und politische Kontext ist wichtig, um das Buch in seiner Zeit lesen und einordnen zu können. Das Nachwort von Uwe Naumann in der neuen Ausgabe von 2019 (Rowohlt Verlag) gibt hierzu wertvolle Erläuterungen.

Empfehlung von Lisa-Katharina


Rowohlt Verlag, 220 Seiten

Erika Mann: Zehn Millionen Kinder

Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich

In „10 Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich“ liefert Erika Mann eine präzise Beobachtung des Familienalltags und der Erziehung in Nazideutschland. Kinder werden bereits 1938 konsequent indoktriniert, systematisch zu Spitzeln gemacht, gleichgeschaltet. Die Privatsphäre der Familien wird immer weiter aufgelöst, Geschlechterrollen werden auf dienenden Mutterkult und Heldentod hin definiert.

Was mich persönlich an „School for Barbarians“ (so der Originaltitel) bewegt: Die Schule, Schulbuchverlage, Universitäten – alle haben aktiv ihren Beitrag geleistet und ihre unheilvolle Dynamik in vorauseilendem Gehorsam auch bei der Ausbildung von „Pädagog*innen “ entwickelt. Abgesehen von der Tatsache, dass die Erinnerung an manch „braunen Lehrer“ und dessen Methoden noch heute als Schreckensgeschichte durch Familien geistert, ist dieses NS-Kapitel kaum mehr im Gedächtnis der breiten Öffentlichkeit. Das sollte es aber sein, und dieses sehr gut lesbare Buch hält die Erinnerung lebendig.

Empfehlung von Anke


Erika Mann: Zehn Millionen Kinder

Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich

Diktaturen entstehen nicht aus dem Nichts. Sie bauen, nicht zuletzt, auf denjenigen Mitgliedern einer Gemeinschaft auf, die besonders formbar, lenkbar, indoktrinierbar, die am begeisterungsfähigsten sind – auf Kindern und Jugendlichen. Erika Manns „Zehn Millionen Kinder“ belegte bereits 1938, auf welch erschreckende Weise die „Erziehung zum Krieg“ junge Menschen prägt.

Bezeichnend finde ich, dass diese detailliert recherchierte und überaus hellsichtige Studie über die Erziehung im „Dritten Reich“ in Deutschland erst 1986 erschien, in der damaligen Bundesrepublik. Da Erika Manns „Zehn Millionen Kinder“ an Aktualität bis heute (leider) nichts eingebüßt hat, bleibt es weiterhin absolut lesenswert.

Empfehlung von Dinah


Porträt von Erika Mann, 1948
Erika Mann, 1948; Foto: Florence Homolka Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Rowohlt Verlag, 314 Seiten

Erika Mann: Wenn die Lichter ausgehen

Geschichten aus dem Dritten Reich

Im amerikanischen Exil bekämpfte Erika Mann die Nationalsozialisten auch als Schriftstellerin. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist ihr Buch „Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich“, dessen amerikanische Originalausgabe 1940 unter dem Titel „The Lights Go Down“ erschienen ist. Eine deutsche Fassung liegt erst seit 2005 vor.

In zehn Kapiteln erzählt Erika Mann von ganz durchschnittlichen Menschen in einer durchschnittlichen süddeutschen Kleinstadt im Jahr 1939, kurz vor Kriegsbeginn. Sie führt ihren Leserinnen und Lesern ein altdeutsches Idyll mit gotischen Giebeln, Marktplatz, Reiterstandbild und Universität vor Augen, in dem nach außen hin alles in bester Ordnung zu sein scheint. Der Blick ins Innere der Häuser, der Gastwirtschaften, der Universität, des Gefängnisses oder des Krankenhauses offenbart die Durchdringung des Naziterrors in das Alltagsleben, wo Not, Unterernährung, Behördenwillkür, Bespitzelung und reine Existenzangst herrschen.

Die besondere, unmittelbare und dokumentarische Wirkung des Buches basiert darauf, dass es zum großen Teil auf Tatsachen und Originalquellen beruht, die Erika Mann gesammelt und ausgewertet hat – eine Doku-Fiktion mit Anspruch auf politische Aufklärung.

Empfehlung von Sylvia


edition spangenberg im Ellermann Verlag, 294 Seiten

Erika Mann: Briefe und Antworten Band 1, 1922 – 1950.

Warum habe ich dieses Buch gewählt?

Ich wollte mehr über die Person Erika Mann erfahren, ihre Gedanken, was sie bewegt hat und was ihr wichtig war. Normalerweise erfährt man solche persönlichen Dinge in Tagebüchern. Nun hat Erika Mann aber kein Tagebuch geführt, deshalb hoffte ich mehr Einsicht durch ihre Briefe zu bekommen.

Das Buch „Briefe und Antworten. 1922 – 1950“ ist in 17 Lebensabschnitte eingeteilt, denen jeweils biografische Einführungen vorangestellt sind. Die Ausgabe stellt nur eine Auswahl der Briefe dar und wurden auch textlich immer wieder mit … gekürzt.

Die Lektüre ist nicht einfach. Erika Mann hat eine ganz eigene Art Briefe zu schreiben, verwendet viele Abkürzungen und eigene Namensgebung für Personen. Die Erklärung findet man aber in den jeweiligen Kommentierungen, die in Fußnotenform den einzelnen Texten zugeordnet sind.

Interessant ist Erika Manns ziemlich harter, fast böser Ton, mit dem sie ihren Vater zur Parteinahme für die Sache der antifaschistischen Emigration drängt. „Wir können es uns nicht leisten, auf Dich zu verzichten, und Du darfst es Dir nicht leisten, uns zu verraten.“

Die Briefe verdeutlichen vor allem den zeitlichen Hintergrund, auch das Verhältnis zum Bruder Klaus und die Tatsache, dass Erika Mann zeitlebens gegen den Strom geschwommen ist.

Empfehlung von Christine


Kindler Verlag, 175 Seiten

Erika und Klaus Mann: Das Buch von der Riviera

Erika und Klaus Mann geben in ihrem alternativen Reiseführer – entstanden nach eigenen Erfahrungen im Jahre 1931 an der Côte d´Azur – wertvolle Ratschläge zum Aufenthalt an der Riviera. Die Geschwister stellen dabei nicht nur die Schönheit der azurblauen französischen Mittelküste dar; ihre Liebeserklärung gilt auch der „einfachen“, ungeschönten Wahrheit.

Amüsant zu lesen sind besonders ihre ironischen Reisetipps, wie sie in herkömmlichen Reiseführern nicht zu finden sind. So empfehlen sie, in Marseille lieber auf den Friseurbesuch zu verzichten, da es dort zu [geht], wie wenn Buster Keaton etwas unternimmt, Kaffee kocht, Holz spaltet“. Lieber sollte das Geld an diesem Ort für adrette Ledersachen ausgeben werden.

Auch schön an dieser Lektüre ist, dass die Erzählungen von vielen hinreißenden kleinen Skizzen begleitet werden, die beim Lesen nostalgische Gefühle vermitteln. „Das Buch von der Riviera“ verleitet an kalten Wintertagen, eine kleine Zeitreise zurück ins Jahr 1931 zu unternehmen und von der Côte d´Azur zu träumen: „Strand … des Spiels, der Arbeit, der Blumen und der sonnenbeglänzten Promenaden“.

Empfehlung von Sarah


Piper Verlag, 243 Seiten

Signe von Scanzoni: Als ich noch lebte

Ein Bericht über Erika Mann

„Zu viel Phantasie, vielleicht auch Phantasterei, zu viel Passion – das erschöpft. Nein, Deine Person ist zwar von großem Reiz, das spontane mir Zugeneigtsein gewiß erfreulich, aber der Ballast, den Du mit Dir herumzuschleppen scheinst, ist arg bemühend.“

Bereits aus diesen Zeilen wird klar, dass es nicht einfach gewesen sein muss, das Leben an der Seite von Erika Mann (1905-1969). Seit 1957 war Signe von Scanzoni (1915-2002) die Lebensgefährtin der zehn Jahre älteren. Das Zusammensein der beiden, so klingt aus dem „Bericht“, bestand häufig aus heftigen Diskussionen und war geprägt von Einschränkungen durch die berühmte Familie. Und dennoch ist sie liebevoll, diese Zwiesprache mit Erika, in der von Scanzoni deren Tod zu verarbeiten versucht. Sie lässt Erika Manns Leben ebenso Revue passieren wie ihr eigenes und beschreibt die letzten, qualvollen Monate vor dem Tod. Dabei scheint die Autorin sagen zu wollen: Hier, das ist sie: nicht nur die Tochter des berühmten Schriftstellers, sondern meine Erika, so wie ich sie kannte.

An vielen Stellen berührend und fast zu nah am Leiden des geliebten Menschen, mag man den „Bericht“ nur ungern aus der Hand legen – und will mehr wissen über das Leben und die Beziehung der beiden Frauen.

Mit einem Nachwort von Irmela von der Lühe

Empfehlung von Christina

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