Wer war Sophie Taeuber-Arp? Das verrät uns Ruth-Isabelle Aeberli in ihrem Gastbeitrag zu #femaleheritage. Sie führt uns von Davos, München und Hamburg bis nach Zürich ins Café Voltaire – Wirkstätte der Dada-Bewegung. Was zeichnete die Arbeiten der Künstlerin aus?
In den 1990er Jahren wurden die Schweizer Banknoten neu gedruckt. Dabei erschien der Kopf von Sophie Taeuber-Arp auf der 50-Franken-Note, die anschliessend bis 2016 im Umlauf war. Noch nie zuvor hatte ich von dieser Künstlerin gehört. Einerseits überrascht, aber auch neugierig-misstrauisch, weshalb denn eine solch geniale Frau noch nie irgendwo in der breiten Öffentlichkeit bekanntgemacht worden war. Bald beschäftigte ich mich intensiv mit der Dada-Bewegung in Zürich. Es ist mir ein Anliegen, dass Sophie Taeuber-Arp einem breiten Publikum bekanntgemacht wird und nie mehr in Vergessenheit gerät. Selbst in Zürich geboren, kenne ich alle Stationen und Wege, die ich nachfolgend beschreiben werde.
Sophie Taeuber-Arp – Herkunft
Sophie Taeuber-Arp wurde am 19. Januar 1889 in Davos, Kanton Graubünden, in der Schweiz, geboren. Sie wuchs mit drei Geschwistern auf.
Ihr Vater Carl Emil Taeuber (1855-1891) kam aus Preussen. Die Mutter, Sophie Taeuber-Krüsi, eine Apothekerstochter, stammte aus Heiden, Appenzeller Land. Gemeinsam führte das Ehepaar eine Apotheke. Die Mutter verwaltete das grosse Haus mit ständig wechselnden Mietern: Architekten, Blumenhändlern, Schneidern oder Papierhändler. Zudem führte sie zwei Jahre lang ein Weisswarengeschäft.
Kurz nachdem der Vater starb, Sophie war gerade einmal zwei Jahre alt, übersiedelte die Familie nach Trogen, das für seine Maschinenstickerei und Plattstichweberei bekannt war. Es gab kaum ein Haus in Trogen, in dem nicht gesponnen, gewebt oder gestickt wurde.
Ausbildung
Sophie wollte nicht wie viele andere junge Mädchen zu Hause sitzen und „strickend und häkelnd“ auf einen Mann warten. Zielstrebig verfolgte sie ihre Ausbildung zur Entwerferin und Zeichnerin. 1907 wurde sie Hospitantin an der Zeichnungsschule des Industrie- und Gewerbemuseums in St. Gallen. Am 1. Oktober 1910 zog sie nach München und schrieb sich am Lehr- und Versuchsatelier für angewandte und freie Kunst in der Hohenzollernstrasse in Schwabing ein, einer reformorientierten Kunstschule in München, die auch als Debschitz-Schule (1902-1914) bekannt war.
In der Textilwerkstatt lernten die Schüler das Sticken, Weben und Klöppeln, in anderen Werkstätten den Umgang mit Holz, Metall und Keramik. Die Keramikwerkstatt wurde von einer Frau geleitet Clara Trueb – revolutionär für die damalige Zeit.
Sophie machte sich vertraut mit dem Zeichnen von Ornamenten, verschiedenen Darstellungstechniken sowie dem kunstgewerblichen Entwerfen und ausserdem mit der Fotografie, der Innenraumgestaltung und der Geschichte der Kunst.
Am 30. Juni 1912 wechselte Sophie an die Kunstgewerbeschule Hamburg und wurde von Maria Brinkmann unterrichtet. Hamburg verfügte durch die Nähe zu Schleswig-Holstein und Jütland über eine lange Klöppel- und Kreuzsticktradition. Sophie kehrte aber noch einmal an die Debschitz-Schule nach München zurück und schloss diese im Juli 1914 mit sehr guten Noten ab.
In Zürich
Abseits vom Kriegsgeschehen lebte Sophie nach ihrer Rückkehr nach Zürich vorerst bei ihrer Schwester Erika Schlegel und deren Familie an der Plattenstrasse 78. Sie arbeitet unermüdlich, um bald selbständig und allein leben zu können. Bereits im Februar 1915 mietete Sophie ein Zimmer in der Wolfbachstrasse 5, schon im Herbst desselben Jahres zog sie in eine kleine Wohnung in der Magnolienstrasse 6.
Regelmässig besuchte Sophie Galerien, die zeitgenössische Kunst ausstellten. In der Galerie Tanner (Bahnhofstrasse 3) besichtigte sie die Ausstellung «Moderne Wandteppiche, Stickereien, Malereien, Zeichnungen» des holländischen Theosophenpaars Otto van Rees und Adya van Ress-Dutilh sowie Hans Arp. Unter dem Titel „Gestaltungen“ zeigte der Strassburger Künstler elf Tusche- und fünf Kohlezeichnungen sowie drei Wandteppiche, die Adya van Rees ausgeführt hatte.
Sophie sah diese Arbeiten – die Teppiche mit den kräftigen Farben und Quadraten und Rechtecken. Sofort kam ihr das Gesehene vertraut vor. Dieser Künstler sprach allem Anschein nach eine ähnliche Sprache wie sie selbst. Wie sie verwendete er unkonventionelle Materialien, Wolle, Seide, verschiedene Papiere, um ein Kunstwerk zu kreieren.
Zeitgleich leitete Sophie ab 1916 die Textilklasse an der Zürcher Kunstgewerbeschule und unterrichtete bis 1929 dort. Immer wieder wurde sie verwarnt weil sie anstelle von Blumen das Sticken von Rechtecken und Quadraten lehrte.
Revolution im Caféhaus
Zürich wurde zum Zufluchtsort für Deserteure, Pazifisten, vor allem der europäischen Intelligenz und der künstlerischen Avantgarde, welche vor dem ersten Weltkrieg geflüchtet waren.
Sophie hatte sich mit den Schülerinnen des ungarischen Tänzers und Choreographen Rudolf von Laban angefreundet und bei Laban sogar eine Tanszausbildung absolviert. Wie auch zahlreiche Emigranten verbrachte sie viel Zeit in Caféhäusern. Dort lernte sie Hans Arp, ihren späteren Ehemann, kennen, dessen Werke sie bereits in der Ausstellung der Galerie Tanner so intensiv angesprochen hatten.
Im Cabaret Voltaire (Spiegelgasse) fand „das Neue“ statt. Der Dadaismus wurde dort begründet. Gedanken, Gedichte, Lieder, die man vortrug, entstanden aus dem Augenblick heraus und waren genauso flüchtig wie die Caféhaus-Ideen. Das Cabaret Voltaire war nichts anderes als ein Marktplatz, an dem man sich traf, an dem man zuhörte oder mitmachte – oder auch beides – und zwar täglich. Sophie trat auf als Tänzerin, in Theaterperformancen oder bei Lautgedichten mit Hans Arp oder anderen Künstlern.
Sophie Taeuber-Arp schuf eine grosse Vielfalt an verschiedenen Kunstwerken: Gemälde, gedrechselte Puppenfiguren, gestickte Taschen, und Wandteppiche. Nach dem Umzug des Ehepaars nach Strassburg 1926 erhielt sie auch Aufträge für Innenraumgestaltungen (L’Aubette) im Elsass, wo ihr Schaffen heute noch besichtig werden kann. Sie war ihr Leben lang sehr produktiv und gleichzeitig bescheiden. Zudem hielt sie ihrem Mann den Rücken frei, so dass er sich voll und ganz seinem künstlerischen Schaffen widmen konnte.
Sophie starb bei einem tragischen Unfall im Hause des Architekten Max Bill in Zürich. Sie hatte den Ofen eingefeuert, obwohl dieser den Rauch nicht richtig abzog, und erstickte am 14. Januar 1943 im Schlaf.
Tipp der Monacensia-Redaktion:
Ein (virtueller) Besuch des:
Arp Museum
Hans Arp-Allee 1
53 424 Remagen
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Treffend zum Thema Dadaismus ist der Beitrag zu #femaleheritage von:
- Musenland: „Die Dada-Baroness: Elsa von Freytag-Loringhoven“ (11.11.2020)