München-Neuhausen: Umbenennung in Maria-Luiko-Straße gefordert | #femaleheritage

Maria Luiko: ohne Titel, ca. 1936, JM 02.107/2007, Foto: Franz Kimmel, © Jüdisches Museum München. | #femaleheritage

Schreibt die Frauen in die Kulturgeschichte der Stadt zurück – das wünschten wir uns unter anderem mit der Blogparade #femaleheritage. Wir fragten weiter: „Wie wird in Eurer Stadt an Frauen erinnert? Wie werden sie sichtbar gemacht – oder auch nicht? Wohnt Ihr vielleicht in einer Straße, die einer Frau gewidmet ist? Was macht das mit Euch?“ Heike von der Münchner Stadtbibliothek Hadern griff diesen Faden für ihren Beitrag zur Blogparade auf. Sie schreibt über die geforderte Umbenennung der Hilblestraße in Maria-Luiko-Straße.

Umbenennung der Hilblestraße in Maria-Luiko-Straße gewünscht

Als ich mich mit meinem Pfarrer unterhielt und er mich fragte, wo ich wohne, antwortete ich: „In der Hilblestraße“. „Ach ja, diese Straße soll ja umbenannt werden“. Ich war platt, ich wusste nichts davon. „Doch, doch, das stand in der Süddeutschen Zeitung“, berichtete mein Pfarrer.

Zu Hause setzte ich mich an mein Tablet, ging auf die Seite der Münchner Stadtbibliothek klickte dort auf „Katalog“ und dann in der roten Leiste auf „Digitale Angebote“. Das SZ-Archiv kann jede*r mit einem gültigen Bibliotheksausweis nutzen, man loggt sich einfach mit seinem Online-Zugang der Stadtbibliothek ein. Dabei stieß ich auf einen fast zwei Jahre alten Artikel mit der Überschrift „Historisch belastet! Neuhausens Lokalpolitiker fordern, dass die Hilblestraße möglichst schnell umbenannt wird. Sie soll nicht mehr nach einem Anhänger des Nationalsozialismus heißen, sondern nach Maria Luiko, einem Opfer des Regimes.“

Das ist eine Neuigkeit. Als Feministin finde ich es eh besser, wenn meine Straße nach einer Frau benannt wird. Doch wer war Hilble und wer Maria Luiko?? Ich begann zu recherchieren.

Wer war Friedrich Hilble?

Friedrich Hilble (1891-1937) war von 1917 bis 1937 berufsmäßiger Stadtrat, Leiter des Wohlfahrts- und Jugendamtes. Er ließ das Altenheim St.Joseph bauen.[1] Er trat nie der NSDAP bei, sondern war Mitglied der BVP (der konservativ-katholischen Bayerischen Volkspartei). Neuere Recherchen der Geschichtswerkstatt Neuhausen ergaben, das Hilble ein Antisemit war. Er verschärfte, ohne dazu gezwungen zu sein, die restriktive Behandlung der Juden, verweigerte ihnen die Sozialhilfe und ließ sogenannte Asoziale in das Arbeits- und Konzentrationslager Dachau bringen.[2]

Wer war Maria Luiko?

In gängigen Lexika ist Maria Luiko nicht zu finden. Eigentlich hieß sie Marie Luise Kohn und wurde 1904 in München geboren. Sie wuchs in einem großbürgerlichen Milieu auf, studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München, war Schülerin der Münchener Kunstgewerbeschule. Ab 1923 gehörte sie mehreren Künstlervereinigungen an, darunter auch „Die Juryfreie“.

Maria Luiko: Selbstporträt, ohne Titel, ca. 1936, JM 02.111/2007, Foto: Franz Kimmel, © Jüdisches Museum München. | #femaleheritage
Maria Luiko: Selbstporträt, ohne Titel, ca. 1936, JM 02.111/2007, Foto: Franz Kimmel, © Jüdisches Museum München. | #femaleheritage

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Maria Luiko, wie alle anderen jüdischen Künstler, aus dem „Reichsverband deutscher Künstler“ ausgestoßen und mit Ausstellungsverbot belegt. Ihren Künstlernamen Maria Luiko durfte sie nicht mehr tragen. Ab 1934 engagierte sie sich im Kulturprogramm des „Jüdischen Kulturbundes in Bayern“ und war Mitbegründerin des „Münchner Marionettentheaters Jüdischer Künstler“ innerhalb dieser Selbsthilfeorganisation. Ihre Schwester, die Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Kohn, war eine der ersten Rechtsanwältinnen Bayerns.[3] 1941 wurde Maria Luiko von den Nazis aus ihrer Heimatstadt deportiert und, ebenso wie ihre Mutter und ihre Schwester, in Kaunas (Litauen) ermordet.

Werke der Künstlerin Maria Luiko

Das Werk der Künstlerin galt als verloren, es ist nicht einmal bekannt, wann Maria Luiko ihr Atelier aufgab. Dabei war Maria Luiko, eigentlich Marie Luise Kohn, eine sehr vielfältige Künstlerin. Sie war mit Zeichnungen, Aquarellen und Ölbildern und auch Scherenschnitten, Lithographien, Holzschnitten und Linoldrucken auf lokalen Ausstellungen vertreten. Außerdem schuf sie Buchillustrationen.[4] 

Maria Luiko: ohne Titel, ca. 1936, JM 02.107/2007, Foto: Franz Kimmel, © Jüdisches Museum München. | #femaleheritage
Maria Luiko: ohne Titel, ca. 1936, JM 02.107/2007, Foto: Franz Kimmel, © Jüdisches Museum München. | #femaleheritage

Einzelne Marionetten befinden sich im Besitz des Münchner Stadtmuseums.[5] und wurden dort 2018 in der Ausstellung „Ehemaliger jüdischer Besitz“ gezeigt.

Ansonsten sind leider nur noch wenige Holzdrucke und Radierungen erhalten geblieben. Diese sind im Besitz der Familie Chorin in Israel.

Mehr zur Künstlerin gibt es im Beitrag zur Blogparade #femaleheritage vom Jüdischen Museum München. In „Zwei Künstlerinnen von der Isar“ stellt Ayleen Winkler Gabriella Rosenthal und ihre Freundin Marie Luise Kohn vor.

Ich jedenfalls freue mich, wenn die Hilbestrasse umbenannt wird und ich in der Maria-Luiko-Straße wohnen werde!

Autorin: Heike, Münchner Stadtbibliothek Hadern

Literatur-Hinweise zur Künstlerin:

  • SZ, 07.04.2018, Die Münchner Künstlerin Maria Luiko wurde von den Nationalsozialisten umgebracht.“ Catrin Lorch
  • SZ, 20.12.2018, „Historisch belastet“ Sonja Niesmann
  • www.naturtalente.de
  • www.muenchenwiki.de
  • www.wikipedia.de
  • www.weissekoffer.de
  • Geschichtswerkstatt Neuhausen: Von der Aiblingerstraße bis zum Künstlerhof, Verl., Geschichtswerkstatt Neuhausen, 2010
  • Dollinger, Hans: Die Münchner Straßennamen, 8. Aufl., München-Verl., 2016
  • Oesterle, Diana: „So süßlichen Kitsch, das kann ich nicht“: die Münchener Künstlerin Maria Luiko (1904 – 1941), München: Oldenburg-Verl., 2009 im Besitz der Monacensia
  • Ehem. jüdischer Besitz: Erwerbungen des Münchner Stadtmuseums im Nationalsozialismus / Henning Rader Herausgeber/in; Vanessa-Maria Voigt Herausgeber/in Weitere Titelanlässlich der Ausstellung … Münchner Stadtmuseum, vom 27. April – 23. September 2018

[1] Dollinger: Die Münchner Straßennamen, 8. Aufl., München Verl., 2016
[2] Von der Aiblingerstraße bis zum Künstlerhof. Die Straßennamen im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg, Hrsg: Geschichtswerkstatt Neuhausen, Verl. Geschichtswerkstatt Neuhausen, 2010
[3] www.naturtalente.de
[4] www.wikipedia.de
[5] www.weissekoffer.de/Staatsarchiv München

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