Wie erzählt eine Villa in München-Bogenhausen von Kunst, Macht, Verfolgung, Flucht und Widerstand? Die Ausstellung «Maria Theresia 23. Biografie einer Münchner Villa» macht genau das – sie zeichnet die wechselvolle Geschichte des Hildebrandhauses nach, berichtet von Menschen, die hier lebten, arbeiteten, Zuflucht suchten oder um die Erhaltung des Hauses kämpften. Ein Glossar begleitet die Ausstellung und hilft, historische und aktuelle Begriffe und Kontexte einzuordnen.
Sprache als Vermittlungsraum
Denn wie vermittelt man ein ganzes Jahrhundert Stadt- und Zeitgeschichte auf wenigen Ausstellungsflächen? Wie erklärt man Begriffe wie «Arisierung» oder «Ballroom Culture», ohne zu vereinfachen oder vorauszusetzen, dass alle sie kennen? Die Antwort gibt ein kleines, handliches Glossar, das Besucher*innen auf Augenhöhe begegnet – informierend, einordnend, zugänglich.
Warum ein Glossar zu «Maria Theresia 23»?
In der Ausstellung sind zentrale Begriffe und Namen deutlich markiert. Diese Hervorhebungen verweisen auf das Glossar und ein ergänzendes Personenregister, das online verfügbar ist. Beide dienen dazu, historische und zeitgenössische Zusammenhänge zu erschließen, biografische Linien sichtbar zu machen – und die Sprache, in der Geschichte erzählt wird, bewusst zu reflektieren.
Das Glossar erklärt Begriffe aus Politik, Kunst, Gesellschaft, Münchner Stadtleben und Erinnerungskultur – von «Allotria» über «Freikorps» und «FLINTA» bis «Zentralkomitee der befreiten Juden». Dabei verfolgt es ein klares Ziel: Begriffe nicht nur zu erläutern, sondern sie kontextualisiert und allgemein verständlich zu machen.
Zwischen Kunst, Kontrolle und Gegenwart
Die Begriffe sind bewusst vielfältig ausgewählt: Kunsthistorische Termini wie «Münchner Secession» und «Künstlervilla» stehen neben historisch-politischen Bezeichnungen wie «Gestapo», «Mitläufer*in» oder «Gottbegnadeten-Liste».
Hier treffe ich Künstler*innen – aus der Gegenwart und den letzten 100 Jahren.
Annegret Liepold
Diese zeitliche und thematische Spannweite bildet sich in den Begriffen ab, die das Glossar aufgreift. Es stellt gesellschaftlich hochaktuelle Konzepte vor – «Queerness», «Drag Queen», «Exilantisch». So entsteht ein Instrument, das historische Tiefe mit gegenwärtiger Relevanz verbindet. Es öffnet Perspektiven, die lange übersehen oder ausgeblendet wurden.

Erinnerung braucht Sprache
Viele der Begriffe wie «Deportation», «Reichspogromnacht», «Restitution» stehen für historische Vorgänge, aber auch für individuelles Leid und gesellschaftliche Verantwortung.
Ein Glossar wie dieses benennt, was oft verdrängt wurde und wird. Es macht deutlich: Sprache ist nicht neutral. Sie kann verschleiern – oder aufklären. Und sie formt unser Verständnis von Vergangenheit.
Orientierung im Raum und im Denken
Das Glossar ist mehr als ein Begleitheft – es ist ein Vermittlungsinstrument. Wer durch die Ausstellung geht, kann über markierte Begriffe direkt in größere Kontexte eintauchen. Fragen, die sich beim Lesen ergeben, finden hier Antworten. Nicht abschließend, aber anregend.
Auch Namen historischer Akteur*innen, die im Haus oder in der Nachbarschaft wirkten, lassen sich über das Personenregister online nachschlagen – und mit einem Klick tiefer verstehen. So entsteht eine Verbindung zwischen Ausstellungsraum, Begriff und biografischem Hintergrund – ein Netz aus Sprache, das durch Geschichte führt.

Kein Anhang, sondern Haltung
Das Glossar spiegelt die Haltung der Monacensia als literarisch-archivischen Ort wider: Wissen soll zugänglich, vielstimmig und anschlussfähig sein. Die Texte sind klar und präzise formuliert. Sie verzichten auf akademischen Jargon und setzen auf Verständlichkeit – ohne dabei die historische Tiefe zu verlieren.
Digital, offen, weitergedacht
In der Ausstellung führen QR-Codes gezielt zu vertiefenden Artikeln im MON_Mag. Dort werden zentrale Themen der Ausstellung aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. So wird der Rundgang vor Ort um digitale Lesewelten ergänzt – zum Nachlesen, Nachdenken oder Weiterstöbern von zu Hause aus. Das digitale Glossar wird noch um Artikellinks ergänzt.
Begriffslexikon A–Z:
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Alle Glossarbegriffe1 folgen hier in alphabetischer Reihenfolge mit den vollständigen Definitionen aus dem PDF. Gefettete Begriffe sind im Glossar definiert.
Glossar zur Ausstellung «Maria Theresia 23» in der Monacensia im Hildebrandhaus in München
Allotria
Die Künstlergesellschaft Allotria wird 1873 in München gegründet. Hier treffen sich Künstler, die (noch) nicht zur althergebrachten Münchner Kunstszene zählen und/oder auch gar nicht dazugehören wollen. Präsident der Allotria ist der Maler und Mitbegründer Franz von Lenbach. Zu den Mitgliedern zählen der Bildhauer Adolf von Hildebrand, der Schriftsteller Ludwig Thoma, der Komponist Hermann Levi und der Zeichner Wilhelm Busch. Die Allotria existiert bis heute, ihr Treffpunkt ist der Allotria-Keller im Künstlerhaus am Lenbachplatz.
Amerikanische Militärregierung
In der Nachkriegszeit regelt die amerikanische Militärregierung für Bayern (Office of Military Government/Bavaria) das gesamte öffentliche Leben in den bayerischen Städten und auf dem Land (ausgenommen Lindau und Umgebung). Sie entlässt Menschen, die der NSDAP angehört hatten, besetzt die Ämter neu und bewirkt unter anderem eine Schulreform im Zeichen der Demokratie. Das Hauptquartier befindet sich in München. Die amerikanische Militärregierung besteht bis zum September 1949, am 30. Juni 1952 übernimmt das Amerikanische Generalkonsulat in München ihre verbliebenen Aufgaben.
Antisemitismus
Unter dem Begriff versteht man sämtliche Erscheinungsformen von Feindlichkeit gegen Juden und Jüdinnen. Juden und Jüdinnen werden bis in die Mitte der Gesellschaft als Ursache aller Probleme bezeichnet und dabei nicht nur über ihre Religion, sondern auch als Volk, Nation oder Rasse definiert. Antisemitismus richtet sich sowohl gegen den Einzelnen als auch gegen Juden und Jüdinnen als Gemeinschaft. Politische Strömungen wie die Demokratie, aber auch wirtschaftliche Entwicklungen wie Kapitalismus und Globalisierung werden häufig als Erfindungen eines «jüdischen Geistes» betrachtet. Verschwörungstheorien enthalten häufig antisemitische Argumentationsmuster.
Arier / Arierin
Der Begriff hat eine lange Geschichte. Ursprünglich bezeichnet er viele verschiedene Volksgruppen, deren Sprachen miteinander verwandt waren. Um 1900 findet eine Bedeutungsverschiebung statt: Gelehrte definieren «Arier» als eine mythische «Rasse», also eine Bevölkerungsgruppe mit bestimmten biologischen Merkmalen, die besser seien als andere. Das NS-Regime führt diese falsche Annahme fort: Es verherrlicht das deutsche Volk als Angehörige der «arischen Rasse». Diese nordische Menschengruppe sei allen «Nichtariern» geistig, politisch und kulturell überlegen. Zu den «Nichtariern» zählen neben Juden und Jüdinnen auch Schwarze, Sinti*zze und Rom*nja.
Arisierung
Der vom NS-Regime geprägte Begriff bezeichnet den Vorgang der Enteignung des Gesamtbesitzes von Juden und Jüdinnen und dessen Übernahme durch «Arier» und «Arierinnen», sogenannte «arische» Firmen oder den Staat. Zum Gesamtbesitz zählen Geschäfte, Unternehmen, Häuser, Grundeigentum, Bargeld und angelegtes Vermögen.

Atelier
Das aus dem (alt-)französischen «astelier» abgeleitete Wort bedeutet ursprünglich «ein Haufen von Spänen» und bezeichnet die Werkstatt eines Zimmermanns. Heute versteht man unter einem Atelier den Arbeitsraum, die Produktionsstätte einer kunstschaffenden Person. Je nach der dort entstehenden Kunst sollte ein Atelier besondere Anforderungen erfüllen. Für Malerei braucht es Seitenlicht, für Bildhauerei einen hohen, möglichst im Erdgeschoss gelegenen Raum wie das Atelier von Adolf von Hildebrand. Speziell um 1900 nutzen Künstlerinnen ihre Ateliers zudem als Repräsentationsräume oder Salons: Sie empfangen Kolleg*innen, Schüler*innen, Sammler*innen und Galerist*innen und veranstalten mitunter rauschende Feste.
Zum Weiterlesen:
- «Julian Nida-Rümelin: Eine Jugend im Hildebrandhaus» – (20.10.2024)

Ballroom Culture
Der englische Begriff bezeichnet eine Bewegung in den USA: Sie entwickelt sich ab den 1970er- und 1980er-Jahren aus den sogenannten Drag Balls, in denen sich Drag Queens in ihrer ganzen Pracht präsentieren. Die Ballroom Culture geht einen Schritt weiter: Akteurinnen aus der gesamten queeren Szene treten in einem Wettbewerb gegeneinander an. Sie schreiten auf einem Laufsteg, posieren und beweisen sich vor einer Jury in verschiedenen Performance-Kategorien. Neben der kunstreichen persönlichen Inszenierung und dem Spiel mit Sein und Schein gibt es auch ein politisches Ziel: Die Akteur*innen möchten zeigen, dass Geschlechterrollen ein Konstrukt sind und Geschlechtsidentität nicht unbedingt festgeschrieben ist (siehe auch FLINTA).
Berufsverbot / Reichskammer der bildenden Künste
Die Reichskammer der bildenden Künste (auch Reichskunstkammer genannt) wird am 1. November 1933 gegründet. Sie ist wie die Reichsschrifttumskammer eine von sieben Kammern der von Propagandaminister Joseph Goebbels geleiteten Reichskulturkammer. Ihre Aufgabe ist die Kontrolle der offiziellen Kunstproduktion. Ein Ausschluss aus der Reichskunstkammer entspricht einem Berufsverbot. Kunst ausstellen dürfen nur noch Mitglieder. Nur sie erhalten öffentliche Aufträge und finanzielle Förderungen. Kunstschaffende ohne «Ariernachweis» werden nicht aufgenommen. Wer systemkritische oder als «entartet» – also wider die Ideologie des NS-Regimes – eingestufte Werke schafft, bleibt ebenfalls außen vor.
Zum Weiterlesen:
- «Karrieren. Bildende Künstler*innen im Nationalsozialismus» – (25.10.2024)
Biografie
Das vom spätgriechischen «biographía» abgeleitete Wort setzt sich zusammen aus Leben und Schreiben. Es bezeichnet sowohl die Lebensgeschichte einer Person als auch die Beschreibung ebendieser Lebensgeschichte. Eine Biografie kann mündlich oder schriftlich erzählt werden – oder mittels einer Ausstellung. Dass es in einer Ausstellung um die Biografie eines Hauses geht, ist ungewöhnlich. Letztlich aber setzt sich die Biografie des Hildebrandhauses aus vielen verschiedenen Einzelbiografien zusammen: aus denen ihrer Bewohner*innen im Laufe von rund hundert Jahren.
Zum Weiterlesen:
- «Spuk im Hildebrandhaus? Münchens Künstler*innen-Villa und ihre Geschichte – Literarische Erkundungen» – (5.3.2025)

Bogenhausen
Der im Nordosten gelegene Münchner Stadtteil wird erstmals im Jahr 768 erwähnt. Damals unter der Bezeichnung «Pupinhusir», was so viel bedeutet wie Haus/Häuser des Poapo/Poppo/Pubo (vermutlich der Name eines Grafen aus dem alten bayerischen Hochadelsgeschlecht der Huosi). Einst Herrensitz mit mehreren Schlössern, entsteht hier im August 1805 durch den geheimen Bogenhausener Vertrag zwischen dem Kurfürstentum Bayern und Frankreich das Königreich Bayern. 1818 wird Bogenhausen eine eigene Gemeinde. In der Prinzregentenzeit verwandelt sich Bogenhausen in ein nobles Wohnviertel mit vielen Villen und einem eigenen Theater am Prinzregentenplatz. Im Jahre 1892 wird es nach München eingemeindet. Mit der Villa Stuck und dem Hildebrandhaus stehen hier zwei der drei Künstlervillen, die sich im Besitz der Landeshauptstadt München befinden.
Zum Weiterlesen:
- «Wohngeschichten erleben: Erzählcafés in München-Bogenhausen» – (30.4.2025)
- «#MeinBogenhausen: Seht ihr was, was wir nicht sehen? – Mitmach-Aktion» – (10-10.2024)

Bohème (auch: Boheme)
In Frankreich werden im 15. Jahrhundert die aus Böhmen kommenden Roma «Bohème» genannt. Im Laufe der Zeit verändert sich die Bedeutung, und man versteht darunter Menschen, die ungebunden und frei als Künstler*innen leben. 1896 wird Puccinis berühmte Oper «La Bohème» erstmals aufgeführt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist der Begriff allgemein gebräuchlich für Maler*innen, Dichter*innen, Philosoph*innen und Schriftsteller*innen, die ein unangepasstes Leben ohne festes Einkommen führen und mit neuen Lebensformen experimentieren. Die Bohème dieser Stadt trifft sich um 1900 in den Cafés und Ateliers rund um die Münchner Kunstakademie im Stadtviertel Maxvorstadt.

Bürgertum
Beim Bürgertum handelt es sich um einen bestimmten Teil der Gesellschaft: den sogenannten gehobenen Mittelstand, der über Besitz und Bildung verfügt. Er entstand aus der Bezeichnung für alle, die in einem Staat, einer Stadt oder einer Gemeinde leben: Bürger und Bürgerinnen. Ursprünglich sind damit Menschen gemeint, die rund um eine Burg leben und das Recht haben, bei Krieg oder Gefahr innerhalb der Burgmauern Schutz zu suchen. Später zählt man zum Bürgertum vornehmlich Stadtbewohner*innen, die sich durch ihre Arbeit, Wohnung, Kleidung, Werte und Umgangsformen von anderen gesellschaftlichen Schichten wie Adel, Bauerntum oder Arbeiterklasse unterscheiden.
Büste
Bei einer Büste handelt es sich um die dreidimensionale Darstellung einer Person bis zur Brust, Leibes- oder Körpermitte oder auch nur bis zur Schulter. Eine Büste kann aus verschiedenen Materialien gefertigt sein, zum Beispiel aus Marmor, Bronze, Ton oder Gips. Büsten sind bereits im Rom der Spätantike weit verbreitet und gelten ab 1420 in der Kunst der Renaissance wieder als beliebteste Porträtform. Die Herkunft des Wortes ist nicht ganz geklärt, findet aber mit «busto» seine Entsprechung im Italienischen sowie mit «buste» im Französischen.
Churban
Das aus dem Hebräischen stammende Wort bedeutet Verwüstung oder Vernichtung und beschreibt von Menschen verursachte historische Katastrophen. Im Jiddischen heißt es «churbm» oder «churbn». Zuerst wird es für die Zerstörungen des Jerusalemer Tempels in den Jahren 586 vor und 70 nach Christus verwendet. Als dritter Churban gilt der Holocaust. Alle drei Ereignisse zielten darauf ab, das Judentum auszulöschen. So soll der Begriff Churban auch verdeutlichen, dass sich Antisemitismus und die Verfolgung von Juden und Jüdinnen durch ihre gesamte Geschichte zieht.
Demokratie
Aus dem altgriechischen «demos» (Staatsvolk) und «kratos» (Herrschaft) abgeleitet, bezeichnet Demokratie eine Herrschaftsform, in der die Macht vom Volk ausgeht. Zumeist wird die Form der repräsentativen Demokratie praktiziert, in der vom Volk gewählte Vertreter*innen (Repräsentant*innen) die politischen Entscheidungen treffen. Elemente einer direkten Demokratie – das heißt der Beteiligung aller Bürger*innen an politischen Entscheidungen – können zusätzlich eine Rolle spielen, zum Beispiel bei Volksentscheiden. Da der Begriff der Demokratie von Diktaturen häufig missbraucht wird, wird er im Grundgesetz als «freiheitlich demokratische Grundordnung» definiert.
Deportation
Der aus dem Lateinischen stammende Begriff bezeichnet die Verschleppung, Verbannung von Verbrecher*innen, unbequemen politischen Gegner*innen oder ganzen Volksgruppen. Deportationen finden bereits im antiken Rom statt. Seitdem sind sie fester Bestandteil der (Unrechts-)Geschichte der Menschheit. Ihren grausamen Höhepunkt erreicht die unmenschliche Praxis im NS-Regime: Juden und Jüdinnen sowie weitere Minderheiten werden in Ghettos und Arbeitslager deportiert. Die am 20. Januar 1942 auf der Wannseekonferenz beschlossene sogenannte «Endlösung der Judenfrage» sieht schließlich die systematische Ermordung aller Juden und Jüdinnen vor. Dafür werden sie in eigens dafür errichtete Vernichtungslager deportiert. Heute gelten Deportationen als Kriegsverbrechen bzw. in Friedenszeiten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie werden vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verfolgt.
Devisenstelle
Bei Devisen handelt es sich um Zahlungsmittel in ausländischer Währung. Im Nationalsozialismus spielen die Devisenstellen (Kurzform von Stellen für Devisenbewirtschaftung) eine zentrale Rolle bei der Überwachung und steuerlichen Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland. Devisenstellen sind mitverantwortlich für Ausbürgerungsverfahren, sie ziehen Pässe ein und verhängen nicht nachvollziehbare Geldstrafen. Juden und Jüdinnen, die notgedrungen auswandern möchten, müssen ihren Besitz überprüfen lassen, hohe Sonderzahlungen leisten und meist den Großteil ihres Vermögens abgeben.
Displaced Person
Der englische Begriff Displaced Person (DP) bedeutet «verschleppte oder vertriebene Person». Er wird in der Nachkriegszeit von der in Deutschland stationierten amerikanischen Besatzung geprägt: für die Millionen von Juden und Jüdinnen und andere, die durch den Krieg und/oder ihre Deportation heimatlos geworden sind. Die Siegermächte versorgen die DPs und unterstützen deren Ausreise. München entwickelt sich zum Transitpunkt für viele Tausende DPs. Von hier wandern sie nach Palästina, in die USA, Kanada, Australien und weitere Länder aus.
Zum Weiterlesen:
Drag Queen
Hierbei handelt es sich um einen kunstvoll geschminkten und frisierten Mann, der Kleider und hohe Schuhe trägt und so in die Rolle einer Frau (und Queen, also Königin) schlüpft. Der Ursprung des ersten Wortteils ist nicht eindeutig geklärt. Eventuell bezieht es sich auf das englische Verb «to drag», im Deutschen «schleppen», und damit auf die meist voluminösen, reich verzierten Kostüme einer Drag Queen. Dass Männer auf der Bühne als Frauen auftreten, hat eine jahrhundertelange Geschichte. Bei Drag Kings handelt es sich wiederum um Frauen, die sich aufwendig als Männer stylen. Da die Grenzen mittlerweile fließender sind und die Geschlechter nicht immer eindeutig zuordenbar sind (siehe auch FLINTA), wird heute gerne von Drag Artists/Performern gesprochen.

Emigration
Das aus dem Lateinisch kommende Wort bedeutet ausziehen oder wegziehen. Wenn eine Person aus dem Land, aus dem sie stammt, auswandert, nennt man das Emigration. Der Aufenthalt in dem fremden Land nach der Auswanderung wird ebenfalls so genannt: Die Person befindet sich in der Emigration. Sie ist ein*e Emigrant*in. Die Gründe können politisch, religiös oder wirtschaftlich motiviert sein. Zwischen 1933 und 1945 verlassen viele tausend Juden und Jüdinnen sowie politische Gegner*innen Deutschland, um der Verfolgung durch das NS-Regime zu entkommen. Einige gehen in die sogenannte innere Emigration. Das bedeutet, sie bleiben im Land, distanzieren sich aber innerlich, also in ihrer persönlichen Überzeugung, vom politischen Geschehen.
Entnazifizierung
Ob in Verwaltung, Rechtsprechung, Wirtschaft, bei der Polizei, im Bildungswesen, in Kunst oder Kultur: Ab 1933 übernimmt das NS-Regime die zentralen Ämter in Deutschland. Ein Ziel der Siegermächte in der Nachkriegszeit ist es, die nationalsozialistischen Strukturen im politischen und öffentlichen Leben restlos aufzulösen. Dies geschieht im Rahmen der Entnazifizierung. Zu dieser gehört neben der Beseitigung der genannten Strukturen (Auflösung der NSDAP, Aufhebung von NS-Gesetzen etc.) die Ermittlung und Bestrafung der Menschen, die darin verbrecherisch handelten. Dafür werden Kriegsverbrecherprozesse durchgeführt. Die größten und wichtigsten sind die «Nürnberger Prozesse», bei denen führende Politiker des NS-Regimes für ihre Taten angeklagt und verurteilt werden. Ein Großteil der NS-Verbrecher*innen wird jedoch nie für seine Taten verurteilt, viele werden nicht einmal angeklagt (siehe auch Mitläufer*innen).
Erinnerungskultur
Das Wort bezieht sich auf die Art des Umgangs einer Nation oder Gemeinschaft von Menschen mit der eigenen Vergangenheit. Hierzulande wird es vor allem in Bezug auf den Nationalsozialismus, den Holocaust und das in der Nachkriegszeit geteilte Deutschland verwendet. 2021 definierte die Monacensia-Leiterin Anke Buettner in Erinnerungskultur der Vielen und kuratorische Feldforschung: Monacensia-Manifest zum Kuratieren in der Zeit die neu definierten Ziele der Monacensia im Hildebrandhaus als literarisches Gedächtnis der Stadt München. Darin beschreibt sie auch neue Wege der Erinnerungskultur:
Das Monacensia-Manifest definiert eine zeitgemäße Erinnerungskultur der Vielen als wichtige Grundlage für eine inklusive Gesellschaft, die auf die Gleichrangigkeit ihrer Mitglieder setzt.
Das heißt: Nur wenn alle Stimmen einer Gesellschaft öffentlich gehört und bewahrt werden, besteht für folgende Generationen die Chance, die facettenreiche Vergangenheit annähernd zu begreifen.
Exilantisch
Bei Exilant*innen handelt es sich um Personen, die ihre bisherige Heimat verlassen haben, um woanders zu leben. Das dem Lateinischen entlehnte Wort Exil bedeutet Verbannung. Die Verbannung kann aufgezwungen sein – oder auch selbst gewählt, wenn die bisherigen Lebensumstände nicht mehr ertragbar sind. Das sich auf ebendiese Personen beziehende Adjektiv exilantisch vermittelt, im Unterschied zu migrantisch, dass die Heimat nicht gewollt bzw. freiwillig verlassen wurde. Unter exilantischen Stimmen oder Perspektiven versteht man den Blick von Menschen auf ein ihnen nicht von Geburt an vertrautes Land, auf eine Gegend, einen Ort oder eine Stadt.
FLINTA / FLINTAs
Diese Form der Abkürzung heißt Akronym und setzt sich aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter zusammen. Bei FLINTA handelt es sich um die Bezeichnung für:
- Frauen
- Lesben
- Intergeschlechtliche Personen
(Das heißt, dass sie aufgrund ihrer körperlichen Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig als weiblich oder männlich einzuordnen sind.) - Nicht-binäre Personen
(Das heißt, dass sie sich außerhalb der zweigeteilten Geschlechterordnung verstehen, sich also nicht ausschließlich als männlich oder weiblich identifizieren.) - Transgeschlechtliche Personen
(Das heißt, dass ihre Geschlechtsidentität nicht [vollständig] mit dem nach der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.) - Agender Personen
(Das heißt, dass sie entweder kein Geschlecht haben, sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen oder das Konzept von Geschlecht ablehnen.)
Die in dem neu geschaffenen Begriff zusammengefassten Menschen sind keine einheitliche Gruppe. Sie haben vielfältige Identitäten und verschiedene Lebensrealitäten. Eine Gemeinsamkeit gibt es unter den FLINTAs: Im vorherrschenden patriarchalen System sind sie alle von Benachteiligung und struktureller Diskriminierung betroffen – auf unterschiedliche Weise.
Frauenbewegung
Die europäische Frauenbewegung beginnt im 18. Jahrhundert. Konkret: mit der Französischen Revolution von 1789, an deren Aktionen sich vermehrt Frauen beteiligen. Die deutsche Frauenbewegung beginnt mit dem 1865 in Leipzig gegründeten ersten Frauenbildungsverein. Zentrale Anliegen sind das Frauenwahlrecht, die Gleichstellung von Mann und Frau, die Überwindung der althergebrachten Geschlechterrollen und die Beseitigung von Bevormundung, Ungerechtigkeiten und sozialen Ungleichheiten. Die Frauen kämpfen für ihr Recht auf Bildung und dafür, mit eigener Arbeit ihr eigenes Geld zu verdienen. Zu den Wegbereiter*innen der Frauenbewegung gehören Lida Gustava Heymann (1868–1943) und Anita Augspurg (1857–1943). Sie lernen sich 1896 auf einem internationalen Frauenkongress in Berlin kennen, führen ab 1902 eine Lebensgemeinschaft und fordern 1923 vergeblich die Ausweisung des Österreichers Adolf Hitler aus Bayern.
Zum Weiterlesen:

Freie Szene
Der Begriff bezieht sich in der Ausstellung speziell auf die freie Literaturszene. Dabei handelt es sich um selbst organisierte, mehr oder weniger miteinander verbundene Gruppen von Autor*innen. Diese planen und veranstalten Lesereihen und Schreibwerkstätten, gründen kleine unabhängige Verlage und geben Literaturmagazine heraus, in denen auch ihre eigene Texte – teils erstmals – erscheinen. Die freie Szene möchte öffentlich wahrgenommen werden. Dafür engagiert sie sich. Der finanzielle Gewinn steht dabei nicht an erster Stelle. Dies unterscheidet die freie Literaturszene von der Buchbranche mit kommerziellen Buchhandlungen und einem gewinnorientierten Verlagswesen. Doch es gibt Überschneidungen: Einige Akteur*innen der freien Szene veröffentlichen auch in großen Verlagshäusern, und öffentliche Förderungen von Stadt, Land oder Bund sind durchaus willkommen, um die eigenen Projekte realisieren zu können.
Mehr unter #AtelierMonaco-Szene.
Freikorps Epp
Vom lateinischen «corpus» (Körper) bzw. französischen «corps» (Körperschaft) abgeleitet, bezeichnet ein Freikorps einen bewaffneten Verband aus Freiwilligen, zumeist ehemaligen Soldaten. Laut dem «Gesetz zur freiwilligen Volkswehr» vom 12. Dezember 1918 liegt die Aufgabe der Freikorps in der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung, dennoch gehen sie ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung vor. Das nach seinem Führer Oberst Franz Ritter von Epp benannte Freikorps Epp war im Mai 1919 an der Niederschlagung der Räterepublik in München beteiligt. Ab Sommer 1919 werden die Freikorps aufgelöst. Teilweise bestehen sie allerdings in mehr oder weniger illegalen Organisationsstrukturen weiter fort. Die Mehrheit von ihnen ist demokratiefeindlich eingestellt und viele der Nachfolgegruppen begehen zahlreiche Morde, etwa 1922 an Reichsaußenminister Walther Rathenau.
Gesellschaft
Hierbei handelt es sich um die Gesamtheit der Menschen, die beispielsweise in einem Staat unter bestimmten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zusammenleben. Eine gemeinsame Sprache, Werte, Traditionen können den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Identifikation verstärken.
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
Ziel des am 7. April 1933 verabschiedeten Gesetzes ist eine Gleichschaltung des öffentlichen Diensts in Sinne der NSDAP. Es erlaubt eine Entlassung von politischen Gegner*innen sowie von Beamt*innen und Angestellten jüdischen Glaubens. Der sogenannte «Arierparagraph» verbietet die Beschäftigung von «Nichtariern» (siehe «Arier»). Sie werden in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. Dieser auch als «völkische Gesetzgebung» bezeichnete Paragraph gilt für fast alle Organisationen und Institutionen. Er verdrängt Juden und Jüdinnen langsam, aber gründlich aus sämtlichen beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen.
Gestapo
Das Wort ist die gängige Abkürzung für Geheime Staatspolizei und bezeichnet die der Politik unterstellten Polizei des NS-Regimes.
Gottbegnadeten-Liste
1944 entsteht im Auftrag von Adolf Hitler und Propagandaminister Joseph Goebbels eine Liste mit den Namen von 1041 Kulturschaffenden, die nach Meinung des NS-Regimes «unabkömmlich» sind. Damit sie weiterhin künstlerisch tätig sein können, müssen sie keinen Front- oder Arbeitsdienst leisten. Die sogenannte «Gottbegnadeten-Liste» ist Teil dieser Liste. Sie gliedert sich in «Sonderliste» und «Alle übrigen» und nennt 378 Künstler sowie wenige Künstlerinnen aus den Sparten «Schrifttum», bildende Kunst inklusive Architektur, Musik Theater.
Häresie
Das vom (kirchen-)lateinischen «haeresis» und griechischen «haíresis» abgeleitete Wort bezeichnet ursprünglich eine andere Anschauung oder Ausrichtung. Vornehmlich in der christlichen Sprache wird es im negativen Sinne für eine Lehre oder Aussage verwendet, die von der offiziellen Kirchenmeinung abweicht bzw. im Widerspruch zu den dortigen Glaubensgrundsätzen steht.
Heritage
Das englische Wort bedeutet auf Deutsch Erbe. Die Monacensia nutzt diesen Begriff bereits für ihr Kulturerbe-Projekt #FemaleHeritage. Bei diesem Vorhaben im Rahmen der Erinnerungskultur geht es darum, verschollenes und verstreutes Wissen über das Werk und Wirken von Frauen aufzuspüren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. #FemaleHeritage findet in Form von Ausstellungen, Lesungen oder Performances statt sowie im Digitalen in Form von Blogartikeln und Blogparaden. Mit der Ausstellung «Maria Theresia 32» startet ein weiteres Kulturerbe-Projekt: #MunichHeritage möchte die Erinnerungslücken im Gedächtnis unserer Stadt schließen. Alle sind eingeladen, daran mitzuwirken.

Holocaust / Shoah
Das dem griechischen «holókaustus» entlehnte Wort bedeutet «völlig verbrannt ». Shoah stammt aus dem Hebräischen und bedeutet «große Katastrophe». Beide Begriffe bezeichnen die systematische Vernichtung der Juden und Jüdinnen während des Nationalsozialismus (siehe auch Churban). Darüber hinaus werden auch Sinti*zze und Rom*nja, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Obdachlose, Behinderte und «Asoziale» verfolgt und ermordet. Sie werden in die sogenannten Konzentrationslager (KZ) verschleppt. Einige KZs werden eigens dafür geschaffen, um Juden und Jüdinnen in Gaskammern zu ermorden. Über 6 Millionen werden zwischen 1933 und 1945 getötet.
Israelitische Kultusgemeinde
Die Israelitische Kultusgemeinde München entsteht 1815. Mit der deutschen Reichsgründung 1871 wächst sie rasant. Juden und Jüdinnen haben ab 1871 formal dieselben Rechte wie alle Bürger*innen, die Realität sieht anders aus: Sie sind im Alltag Diskriminierungen ausgesetzt, etwa bei Karrieren im Staatsdienst und im Militär. 1910 gehören knapp zwei Prozent der Münchner*innen dem Judentum an. Ab den 1920er-Jahren wird das Leben für Juden und Jüdinnen noch schwieriger, nach Hitlers Machtübernahme 1933, den Novemberpogromen und den Nürnberger Gesetzen praktisch unmöglich. In den letzten Kriegsjahren existiert die Gemeinde nicht mehr. Am 15. Juli 1945 wird die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) neu gegründet. Heute ist sie die größte jüdische Gemeinde in Deutschland, seit 2006 bildet das Jüdische Zentrum am St.-Jakobs-Platz ihren Hauptsitz.
Mehr unter Jüdisches Leben in München.
Judentum
Der Begriff bezeichnet sowohl ein Volk als auch eine Religion. Nach religiöser Tradition gilt als Jude oder Jüdin, wer eine jüdische Mutter hat. Zum Judentum zu konvertieren, ist auch möglich. Es ist eine der fünf großen Weltreligionen neben Hinduismus, Buddhismus, Christentum und Islam. Die beiden letzteren haben sich aus dem Judentum entwickelt und glauben wie dieses an nur einen Gott. Das Judentum entstand vor über 3000 Jahren. In dieser langen Zeit sind dessen Angehörige immer wieder verfolgt und vertrieben worden (siehe auch Holocaust / Shoah). 1948 wird Israel als jüdischer Staat gegründet. Heute leben dort mit über 7 Millionen etwas weniger als die Hälfte aller Juden und Jüdinnen weltweit, 7,5 Millionen leben in den USA.
Katholizismus / katholisch
Der Katholizismus ist eine Weltanschauung und Werthaltung, die durch den katholischen Glauben, seinen Geist und seine Lehre geprägt ist. Er bezeichnet somit die Vertretung, also die Präsenz des römisch-katholischen Christentums in der Gesellschaft. Politische Bedeutung erhielt er im 19. Jahrhundert.
Konservatismus / konservativ
Der Konservativismus hat sich im 19. Jahrhundert als eine von drei politischen Grundströmungen herausgebildet (neben Sozialismus und Liberalismus). Ausgehend vom lateinischen «conservare» (bewahren, erhalten) wird der Begriff im politischen und sozialen Bereich heute für Gruppierungen verwendet, die eine Bewahrung von bestehenden oder die Wiederherstellung von früheren gesellschaftlichen Ordnungen anstreben. Konservative sind zu notwendigen Erneuerungen bereit, stemmen sich aber gegen stark verändernde politische oder gesellschaftliche Maßnahmen.
Konvertieren
Das dem französischen «convertir» und lateinischen «convertere» entlehnte Verb bedeutet umwandeln, verwandeln, umkehren. Es kann sich auf Dateiformate, Währungen und den religiösen Glauben beziehen. Im hier relevanten dritten Fall handelt es sich um eine Person, die von einem Glauben zum anderen übertritt, also beispielsweise vom Judentum zum Christentum konvertiert. Dies kann aufgrund eigener Überzeugungen geschehen oder um einer Verfolgung zu entgehen. Zur Zeit des Nationalsozialismus werden Christ*innen jüdischer Herkunft jedoch genauso entrechtet, deportiert und ermordet. Denn der nationalsozialistischen Rassenideologie zufolge werden Juden und Jüdinnen durch die christliche Taufe keine «Arier».

Künstlervilla
In einer Künstlervilla vereinen sich private Wohnräume und ein oder mehrere Ateliers in einem vornehmen Haus, einer Villa. Besonders verbreitet sind diese um 1900, also zu einer Zeit, in der fast nur Männer künstlerisch tätig sind. In München gibt es drei besonders berühmte Künstlervillen: das Hildebrandhaus, das Lenbachhaus und die Villa Stuck. Benannt sind sie nach ihren einst dort lebenden und arbeitenden Hausherren: dem Bildhauer Adolf von Hildebrand, den Malern Franz von Lenbach und Franz von Stuck. Im Lenbachhaus und in der Villa Stuck befinden sich heute Museen. Die Monacensia im Hildebrandhaus führt die Tradition fort und versteht sich als Künstler*innenvilla: Sie bietet einen frei zugänglichen Ort, an dem Literatur und Kunst direkt entsteht und in Lesungen und Ausstellungen präsentiert wird.
Zum Weiterlesen:
- «Spuk im Hildebrandhaus? Münchens Künstler*innen-Villa und ihre Geschichte – Literarische Erkundungen» – (5.3.2025)
Machtübernahme 1933
Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler von Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Dies markiert das Ende der Weimarer Republik, das Ende der Demokratie und den Beginn des diktatorischen NS-Regimes. Nach dem Wahlgewinn der NSDAP im November 1932 ist die Ernennung Hitlers formal legal, entspricht jedoch nicht der Verfassung der ersten deutschen Republik. Mit der «Reichstagsbrandverordnung» werden die Menschenrechte außer Kraft gesetzt, mit dem «Ermächtigungsgesetz» wird das Parlament entmachtet. Die Gewerkschaften werden zerschlagen, das gesamte öffentliche Leben wird zunehmend kontrolliert und gleichgeschaltet.
Mäzen / Mäzenin
Hierbei handelt es sich um eine wohlhabende Privatperson, die eine andere Person oder auch eine Institution wie ein Museum, eine Universität bei der Umsetzung eines Projekts finanziell unterstützt. Das Projekt kann aus Kunst, Kultur, Wissenschaft oder Sport stammen. Im Unterschied zu Sponsor*innen erwarten Mäzen*innen keine Gegenleistung und bleiben oftmals gerne ungenannt. Der Begriff geht auf einen reichen Mann namens Gaius Cilnius Maecenas zurück, der im alten Rom bedeutende Dichter förderte.
Maximiliansanlagen
Die Mitte des 19. Jahrhunderts unter König Maximilian II. Joseph entstandenen Maximiliansanlagen sind eine Park- und Gartenanlage in Bogenhausen und Haidhausen. Sie befinden sich am rechten Isarhochufer zwischen Ludwigsbrücke und Max-Joseph-Brücke. Das Ziel war, durch sie die Stadtteile der östlichen Hochebene an München anzubinden. Auf der östlichen Seite werden die Maximiliansanlagen größtenteils von der Maria-Theresia-Straße begrenzt. Über die Jahre haben sie sich immer weiter ausgedehnt. Heute umfasst der große, lang gezogene Park etwa 30 Hektar und hat zahlreiche Terrassen und Denkmäler. Sein Zentrum ist der unter Prinzregent Luitpold 1899 fertiggestellte 38 Meter hohe Friedensengel.
Migrantisch
Bei Migrant*innen handelt es sich um Personen, die ihre bisherige Heimat verlassen haben, um woanders zu leben. Das Wort geht auf das lateinische «migrans», «migrantis» zurück und bedeutet «wandernd» (siehe auch Emigration). Das sich auf ebendiese Personen beziehende Adjektiv migrantisch gibt, anders als exilantisch, keine Hinweise zum Grund der Auswanderung. Unter migrantischen Stimmen oder Perspektiven versteht man den Blick von Menschen auf ein ihnen nicht von Geburt an vertrautes Land, auf eine Gegend, einen Ort oder eine Stadt.
Zum Weiterlesen:
Militarismus
Das Wort leitet sich von «Militär» ab und meint eine in einem Staat oder in einer Gesellschaft vorherrschende Denkweise, die militärisches Verhalten zum Vorbild hat. So wird nicht nur von Soldat*innen, sondern von allen Bürger*innen Gehorsam, Pflichterfüllung und Untertanengeist gefordert. Die Herrschenden zeigen sich oft in Uniform und veranstalten Militärparaden als Feste für das Volk. Der Glaube an das «Recht der Stärkeren» überwiegt, ebenso wie die Vorstellung, dass Kriege notwendig sind. Ausgaben für die Rüstung und den Aufbau der Streitkräfte erhalten Vorrang vor anderen Aufgaben des Staates.
Mitläufer*in
Hierbei handelt es sich um eine Person, die bei einer bestimmten Aktion mitmacht, ohne sich besonders zu engagieren. Das heißt, sie übernimmt eine passive Rolle im Geschehen und versucht nicht, dieses aktiv zu verhindern. In der Nachkriegszeit ist der Begriff eine von fünf Kategorien im Rahmen der Entnazifizierung: In ihren Zonen in Westdeutschland teilen die Siegermächte USA, England und Frankreich die früheren Mitglieder der NSDAP in «Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer und Nichtbelastete» ein. Die Einstufung dient als erster Schritt zur strafrechtlichen Aufarbeitung der Gräueltaten des NS-Regimes. Die Entlasteten bleiben straffrei, Mitläufer*innen kommen meist mit einem Bußgeld davon.
Möhlstraße
Die kurz vor 1900 erbaute und nach dem königlichen Hofgartendirektor Jakob Möhl benannte Straße befindet sich in Bogenhausen zwischen der Ismaninger und der Maria-Theresia-Straße. Manche der vornehmen Villen gehören Juden und Jüdinnen. Nach 1933 findet die Arisierung der Möhlstraße statt. Einige Villen werden zu sogenannten «Judenhäusern» umfunktioniert, in denen jüdische Personen eng zusammenleben müssen. In andere beschlagnahmte Villen ziehen hochrangige NSDAP-Politiker wie Heinrich Himmler. In der Nachkriegszeit entsteht hier ein lebendiger Schwarzmarkt. Die Israelitische Kultusgemeinde siedelt sich an, die amerikanische Militärregierung stellt Hilfsorganisationen Villen für Verfolgte zur Verfügung. Heute sind viele Gebäude in der Möhlstraße denkmalgeschützt. Gedenktafeln erzählen vom Schicksal der Bewohner*innen.
Zum Weiterlesen:
- «Der jüdische Schwarzmarkt in der Möhlstraße und die Münchner Polizei» – (12.2.2025)
- «Die Möhlstraße – Zentrum jüdischen Lebens im Nachkriegsmünchen» – (24.10.2024)
- «Marga und Alex Hochhäuser: Jüdische Displaced Persons in der Möhlstraße» – (23.10.2024)

Monarchie
Der Begriff leitet sich ab vom Griechischen «monos» (ein) und «archein» (herrschen) und bezeichnet eine Alleinherrschaft. Zu unterscheiden ist die absolute und die konstitutionelle Monarchie. Erstere bezeichnet die unumschränkte Herrschaft einer adligen Person auf Lebenszeit oder bis zur Abdankung. Letztere regelt das Amt des*r Monarch*in durch eine Verfassung. Mit der Verfassung von 1818 war Bayern eine konstitutionelle Monarchie. Die Funktion des Staatsoberhaupts in heutigen parlamentarischen Monarchien ist mit der eines*r Staatspräsident*in vergleichbar.
Münchener Secession
Die 1982 gegründete Vereinigung distanziert sich von der Münchener Künstlergenossenschaft und der Allotria. Die Gruppe bildender Künstler protestiert gegen die konservative Ausstellungspolitik des staatlichen Kunstbetriebs und setzt 1893 mit einer Ausstellung in einem provisorischen Gebäude an der Prinzregentenstraße ein Zeichen. Anfangs gegen das künstlerische Leitbild des «Malerfürsten» Franz von Lenbach eingestellt, findet nach der Einigung mit ebendiesem 1897 eine international viel beachtete Ausstellung statt. Die Secession beflügelt Münchens Kunstszene um 1900, durch Abspaltungen und Neugründungen entstehen weitere Gruppen wie 1912 der Blaue Reiter. Sie wird zum Vorbild für Vereinigungen in anderen Städten. 1938 löst das NS-Regime die Münchener Secession auf, in der Nachkriegszeit formiert sie sich neu und besteht bis heute.
Münchner Kunstakademie
Die Geschichte der Münchner Kunstakademie reicht bis ins 18. Jahrhundert. Sie zählt zu den ältesten und bedeutendsten Kunsthochschulen Deutschlands. 1770 bewilligt Kurfürst Max III. Joseph seinen Hofkünstlern eine «Zeichnungs Schule respective Maler- und Bildhauerakademie». Aus dieser entsteht 1808 die «Königliche Akademie der Bildenden Künste». Ihr Ruf steigt, Ende des 19. Jahrhunderts ist sie weltweit bekannt. Der Bildhauer Adolf von Hildebrand und der Maler Franz von Stuck lehren hier, der Maler Franz von Lenbach ist Student. Ab 1933 nutzt das NS-Regime die Kunstakademie für ihre nationalsozialistische Kulturpolitik. Diese politische Prägung ist bis weit in die Nachkriegszeit spürbar. Seit 1953 lautet der offizielle Name «Akademie der Bildenden Künste München».
Zum Weiterlesen:
Nachkriegszeit
Im Mai 1945 endet der Zweite Weltkrieg in Europa durch die Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Die folgende Zeitspanne wird die Nachkriegszeit genannt. Beim Potsdamer Abkommen im August 1945 teilen die Siegermächte USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion das zerstörte Deutschland in vier Besatzungszonen auf. Zu ihren Aufgaben gehören die Abrüstung und Entmilitarisierung, die Entnazifizierung sowie die Vermittlung der Demokratie und ihrer Werte. Am 24. Mai 1949 tritt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft, Westdeutschland erlangt eine eingeschränkte Souveränität. In den sowjetisch besetzten Gebieten entsteht am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Diese ist bis 1989 politisch, wirtschaftlich und militärisch stark von der Sowjetunion beeinflusst. Seine volle Souveränität erlangt ganz Deutschland erst mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 zurück.
Zum Weiterlesen:
- «‹Wir haben lange noch aus Koffern gelebt› – Der Zeitzeuge Paul T. über das jüdische Leben im Nachkriegsmünchen» – (19.3.2025)
- «Erinnerungen aus einer jüdischen Kindheit im Nachkriegs-Bogenhausen» – (5.2.2025)
- «Die Möhlstraße – Zentrum jüdischen Lebens im Nachkriegsmünchen» – (24.10.2024)
- «Marga und Alex Hochhäuser: Jüdische Displaced Persons in der Möhlstraße» – (23.10.2024)

Nationalismus
In dem Begriff steckt das Wort «Nation», was als politische Gemeinschaft eines Volkes zu verstehen ist. Entwickelt sich hieraus ein übersteigertes Bewusstsein vom Wert und von der Bedeutung der eigenen Nation, spricht man von Nationalismus. Die eigene Nation wird zunehmend glorifiziert, während andere Nationen herabgesetzt werden. Die Einstellung einer Überlegenheit führt dazu, diese vermeintliche Vormachtstellung zu betonen oder gar mit Gewalt durchzusetzen. Nationalismus ist an kein politisches System gebunden. Auch in Demokratien können mehr oder weniger starke nationalistische Gedanken zum Tragen kommen.
Nationalsozialismus / NSDAP
Mit dem Begriff bezeichnet sich eine politische Bewegung mit fanatischen völkischen, antisemitischen und nationalistischen Ansichten. Ihre Entstehung ist eng mit den nachrevolutionären Verhältnissen von 1918/19 und der Niederschlagung der Räterepublik verbunden. Die frühe Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) warb ihre Mitglieder zum Teil aus den aufgelösten Verbänden der Freikorps an. Von 1933 bis 1945 errichtet die NSDAP in Deutschland eine totalitäre Diktatur. Unter den ähnlich oder gleichgesinnten politischen Kräften Europas (Faschismus) stellt der Nationalsozialismus aufgrund seines rassischen Antisemitismus und seiner Vernichtungspolitik die extremste Variante dar.
NS-Regime
Das vom französisch «régime» abgeleitete Wort bezeichnet eine Regierungsform oder ein (politisches) System. Unter dem NS-Regime (NS steht für Nationalsozialismus) versteht man die von der NSDAP in Deutschland errichtete totalitäre Diktatur. Den Beginn markiert Hitlers Machtübernahme 1933, das Ende die Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 mit der sich daran anschließenden Nachkriegszeit.
Nürnberger Gesetze
Die am 15. September 1935 auf dem Reichsparteitag der NSDAP beschlossenen Nürnberger Gesetze definieren, wer als Jude oder Jüdin gilt. Sie erlauben die juristische Abgrenzung von den «Ariern» und «Arierinnen». So schaffen sie die gesetzliche Grundlage für die nationalsozialistische Verfolgung aller Juden und Jüdinnen und bilden die Vorstufe zum Holocaust. Die Nürnberger Gesetze bestanden aus drei Einzelgesetzen: dem «Reichsflaggengesetz», dem «Reichsbürgergesetz» und dem «Blutschutzgesetz».
Prinzregentenzeit
Nach der Absetzung von König Ludwig II. übernimmt am 10. Juni 1886 sein Onkel Prinz Luitpold als Prinzregent die Regierungsgeschäfte im Königreich Bayern. Auch nach dem Tod von Ludwig II. regiert Luitpold weiter an Stelle von Ludwigs psychisch krankem Bruder Otto, dem eigentlichen Thronfolger. Diesen Zeitraum, der sich über 25 Jahre erstreckt, nennt man die Prinzregentenzeit. Sie gilt als eine glückliche Epoche für Bayern, geprägt von Frieden, wirtschaftlichem Aufschwung und technischen Errungenschaften. Als Freund und Förderer der Kreativen und Kunstschaffenden trägt Luitpold zu Münchens Ruf als «Kunststadt» bei. Gleichzeitig steigt die Zahl der Einwohner*innen stark an, mit den neu entstehenden Arbeitervierteln wächst die soziale Frage. Der beim Volk beliebte Prinzregent stirbt 1912, sein Sohn Ludwig III. folgt ihm als letzter Bayerischer König. Er dankt am 7. November 1918 ab.

Profiteur*innen
Der Begriff bezeichnet Menschen, die aus einer Angelegenheit ohne ihr eigenes Zutun und/oder dank der Arbeit von anderen einen Gewinn machen – sie ziehen daraus Profit. Während des NS-Regimes gibt es sehr viele Profiteur*innen. So profitieren sowohl Politiker als auch Privatpersonen von der Arisierung: Sie erwerben die Häuser und den Besitz der enteigneten Juden und Jüdinnen deutlich unter dem tatsächlichen Wert.
Protestantismus / protestantisch
Protestantismus ist eine Weltanschauung und Werthaltung, die durch den protestantischen, also evangelischen Glauben, seinen Geist und seine Lehre geprägt ist. Im 16. Jahrhundert stellte die Reformation der katholischen Lehre das Individuum ins Zentrum des Glaubens. In der Folge brachte der Protestantismus eine Vielfalt an christlich-religiösen Strömungen hervor. Heute umfasst er theologische und konfessionelle Richtungen und Gruppen wie Lutheraner, Reformierte, Calvinisten, Freikirchen oder auch freie Gemeinden.
Queerness, queer
Das englische Substantiv Queerness bezeichnet den Zustand beziehungsweise die Qualität, queer zu sein. Queer ist die auch im Deutschen übliche Bezeichnung für Personen, die eine andere
- als eine heterosexuelle Orientierung haben.
(Das heißt, dass sie als Mann nicht oder nicht ausschließlich an Frauen beziehungsweise als Frau nicht oder nicht ausschließlich an Männern interessiert sind.) - als eine cisgender Geschlechtsidentität haben.
(Das heißt, dass ihr körperliches Geschlecht nicht unbedingt ihrer Geschlechtsidentität entspricht.) - als eine binäre Geschlechtsidentität haben.
(Das heißt, dass sie sich nicht ausschließlich als männlich oder weiblich identifizieren; siehe auch FLINTA).
Zum Weiterlesen:
- «Kriminalisierte Liebe – Thomas Mann und der Paragraph 175» – (23.4.2025)
- «Lasst uns über Gender reden! – Über Erika Manns anti-patriarchales Auftreten und Therese Giehses idealisierte Weiblichkeit» – (18.11.2020)
- «Lücken im Gedächtnis: Homosexualität in der Weimarer Republik» – (17.11.2020)

Räterepublik
Eine Räterepublik ist eine Staatsform, die eine direkte Demokratie umsetzen will. Das bedeutet, dass sich auch sozial benachteiligte Gruppen an der Herrschaft beteiligen können, um so ihre Lebenssituation zu verbessern. Dazu wählt die Bevölkerung in ihrem unmittelbaren Umfeld Rät*innen, etwa die Arbeiter*innen in ihrem Betrieb, Soldat*innen in der Kaserne oder Bürger*innen in ihrem Stadtviertel. Die Rät*innen vertreten die Interessen ihrer Wähler*innen. Sie sind an deren Aufträge gebunden und können jederzeit wieder abgewählt werden. Die Rät*innen entsenden Beauftragte an die nächsthöhere politische Ebene bis hin zum Zentralrat und zum Landtag. Der ursprüngliche Gedanke der Mitbestimmung existiert noch heute, zum Beispiel in Betriebsräten.
Reichsbürgergesetz
Mit dem verhängnisvollsten Einzelgesetz der Nürnberger Gesetze werden die Deutschen in Staatsbürger und «Reichsbürger» aufgeteilt. Anspruch auf politische Rechte haben fortan nur Angehörige «deutschen und artverwandten Blutes». Das heißt, Juden und Jüdinnen können Staatsangehörige des Deutschen Reichs sein, aber keine «Reichsbürger», haben daher auch keine politischen Rechte. Eine am 14. November 1935 zusätzlich verabschiedete Erste Verordnung definiert, wer als Jude, Jüdin oder als «jüdischer Mischling» galt: Personen mit drei oder vier jüdischen Großelternteilen gelten als «Volljuden», diejenigen mit einem oder zwei jüdischen Großelternteilen als «Mischlinge».
Reichspogromnacht / Novemberpogrome
Die sogenannte Reichspogromnacht bezeichnet die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938: In ganz Deutschland werden gezielte Gewaltaktionen gegen die jüdische Bevölkerung verübt, gegen ihre Geschäfte, Wohnungen und Synagogen. Viele Juden und Jüdinnen sterben, 30 000 Menschen werden gedemütigt, misshandelt, verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Diese Taten markieren den Beginn des Holocaust. Die entsprechende Weisung kommt von der NSDAP. Die Polizei sieht zu, und nur wenige Menschen wagen es, ihren jüdischen Nachbar*innen und Mitbürger*innen zu helfen. Einige beteiligen sich gar an den Verbrechen oder sehen wie die Polizei tatenlos zu. Da bereits am 7. und 8. November in einigen Städten Deutschlands Gewalttaten stattgefunden haben und die Zerstörungen und Verhaftungen in den folgenden Tagen weitergehen, spricht man heutzutage auch von den Novemberpogromen.
Reichsschrifttumskammer
Die Reichsschrifttumskammer (RSK) wird am 1. November 1933 gegründet. Sie ist wie die Reichskammer der bildenden Künste (siehe bei Berufsverbot) eine von sieben Kammern der von Propagandaminister Joseph Goebbels geleiteten Reichskulturkammer. Ihre Aufgabe ist die «Freihaltung des Schrifttums von ungeeigneten und unzuverlässigen Elementen». Hier wird entschieden, welche Autor*innen veröffentlichen dürfen – und welche nicht, weil ihre Texte als «artfremd» und/oder «volkschädlich» gelten. Die RSK bewirkt die Gleichschaltung der deutschen Literatur, das bedeutet, es gibt nur noch Bücher zu kaufen, die der Ideologie des NS-Regimes entsprechen. Ab 30. Juli 1934 müssen alle Menschen, die im Bereich Literatur tätig sind – in einem Verlag, im Buchhandel oder als Autor*in –, eine Mitgliedschaft in der RSK nachweisen. Die anderen erhalten ein Berufsverbot.
Religionsphilosophie
Die Religionsphilosophie beschäftigt sich wissenschaftlich mit einer bzw. mehreren Religionen. Im Unterschied zur Theologie geht es hier jedoch über die Inhalte und die Geschichte hinaus: Im Zentrum der philosophischen Erkundung steht das kritische Hinterfragen der jeweiligen Religion, ihres Wesens und ihres Wahrheitsgehalts. Wie in jeder philosophischen Disziplin ist es auch hier das Ziel, mehr Erkenntnis über den Sinn des Lebens zu gewinnen.
Restitution
Der Begriff leitet sich vom lateinischen «restitutio» ab und bedeutet Wiederherstellung, Wiedergutmachung, Regeneration. In der Rechtssprache bezeichnet Restitution die Rückgabe von Geld oder Besitztümern, die von einem Staat unrechtmäßig eingezogen wurden. 1957 verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland per Gesetz zur Rückerstattung von Besitztümern einschließlich der Restitution von sogenannter Raubkunst während des Nationalsozialismus an die ehemaligen Eigentümer*innen oder deren Erb*innen. Unter Raubkunst versteht man Kunstwerke, die Juden und Jüdinnen zwischen 1933 und 1945 unter Zwang dem NS-Regime überlassen mussten. Der Prozess der Restitution dauert an.
Salon
Der Begriff hat mehrere Bedeutungen. Er kann einen luxuriös eingerichteten Laden – zum Beispiel einen Friseursalon – oder einen Empfangsraum bezeichnen. Zudem spricht man von einem Salon, wenn sich ein Kreis von Personen regelmäßig trifft, um über Kunst, Literatur, Wissenschaft und/oder Politik zu diskutieren, Lesungen oder Hauskonzerten zu lauschen. Besonderes verbreitet sind diese meist privat veranstalteten geselligen Zusammentreffen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Gastgeber*in ist oftmals eine Frau, die Salonnière, aus reichem, mitunter adeligem Haus. Eine Blütezeit erlebt der (literarische) Salon im München um 1900 mit über 50 verschiedenen Salons.
Zum Weiterlesen:
- «‹Wie schön ist’s hier!› – Der Salon Bruckmann» – (17.10.2024)

Spekulationsobjekt
Das Wort Spekulation stammt vom lateinischen «speculatio» ab und bedeutet ausspähen oder auskundschaften. Eine Spekulation in der Wirtschaft ist eine geschäftliche Aktion, deren Ziel es ist, etwas zu erwerben, nur um es zu einem späteren Zeitpunkt mit voraussichtlich deutlichem Gewinn wieder zu verkaufen. Bei dem sogenannten Spekulationsobjekt handelt es sich oftmals um etwas Größeres: eine Villa, ein Grundstück, eine Firma oder ein Kaufhaus.

Theologie
Der vom spätlateinischen «theologia» und griechischen «theología» abgeleitete Begriff bedeutet so viel wie «die Lehre von den Göttern». Er bezeichnet die wissenschaftliche Lehre von bzw. die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einer Religion, ihren Inhalten und ihrer Geschichte. Dabei kann es sich um den Katholizismus, den Protestantismus, das Judentum oder eine andere Religion handeln.
Utopie
Der aus dem Griechischen stammende Begriff bedeutet im übertragenen Sinne «Nichtland» oder «Nirgendwo» und bezeichnet auf die Zukunft gerichtete Wunschvorstellungen. Diese beschreiben eine ideale politisch-soziale Ordnung und/oder eine fortschrittliche menschliche Gemeinschaft. In der Literatur ist die Utopie ein eigenes Genre. Es geht zurück auf ein Buch namens «Utopia». In dem bereits im 16. Jahrhundert erschienenen Werk entwirft der englische Humanist Thomas More das Bild eines republikanischen idealen Staates. Das Gegenstück der (positiven) Utopie ist die (negative) Dystopie, auch Anti-Utopie genannt. Hier handelt es sich um eine düstere, pessimistische Vorstellung der zukünftigen Menschheit und ihres Zusammenlebens. Bekannte literarische Beispiele für eine Dystopie sind «Schöne neue Welt» von Aldous Huxley (erschienen 1932) und «1984» von George Orwell (erschienen 1949).
Villa
Das aus dem Lateinischen stammende Wort bezeichnet ursprünglich ein römisches Landhaus oder Landgut. Ab dem 19. Jahrhundert verwendet man den Begriff auch für meist am Stadtrand oder in eigenen Vierteln gelegene, frei stehende Häuser von Adeligen oder wohlhabenden Bürger*innen. Heute gilt bereits ein luxuriöseres Einfamilienhaus als Villa.
Volkskünstlerin
Volkskunst bezeichnet ein kreatives Werk, das von dem Geist, der Kultur und Geschichte einer bestimmten Volksgruppe – also einer großen miteinander verbundenen Gemeinschaft von Menschen – geprägt ist. Bei dem Werk kann es sich sowohl um bildende Kunst als auch um darstellende Kunst handeln. Die in der Ausstellung erwähnte Volkskünstlerin Bally Prell (1922–1982) wohnt ihr gesamtes Leben in München. Auf der Bühne besingt und karikiert sie in Liedern wie «Isarmärchen» oder «Die Schönheitskönigin von Schneizlreuth» die typisch münchnerische und bayerische Lebensart. Eine weitere Münchner Volkskünstlerin ist Liesl Karlstadt (1892–1960). Zusammen mit Karl Valentin bildet sie eines der frühesten und besten deutschen Komikerduos.
Zentralkomitee der befreiten Juden
Die Aufgabe des Zentralkomitees der befreiten Juden in Bayern bzw. in der amerikanischen Besatzungszone ist es, sich um die Überlebenden des Holocausts im Deutschland der Nachkriegszeit zu kümmern. Dieses Komitee gründet sich am 1. Juli 1945, vergleichbare Gruppen entstehen auch in den anderen Besatzungszonen. Fünf Jahre später, am 19. Juli 1950, bildet sich in Frankfurt am Main der Zentralrat der Juden in Deutschland. Dieser ist bis heute die politische Vertretung aller Juden und Jüdinnen in Deutschland. Er vertritt knapp 110 Gemeinden.
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Idee und Konzept Glossar: Sylvia Schütz
Redaktion und Text: Tina Rausch
Fachkorrektur: Dr. Ivonne Meybohm, Leibniz-Gemeinschaft, und Robert Roedern, Schulpsychologe und Regionalbeauftragter für Demokratie und Toleranz
Einige Definitionen stammen aus dem 2018 erschienenen «Kleinen Wörterbuch der Revolution» der Monacensia und wurden für diese Publikation angepasst.
Editorische Notiz
Wir unterstützen eine gendersensible Sprache. Wenn in diesem Glossar die männliche Form verwendet wird, entspricht das der damals gebräuchlichen Bezeichnung für alle Menschen.
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