„Das schlimmste Lausdirndl vom Dorf “

„Das schlimmste Lausdirndl vom Dorf“ – so beschreibt Lena Christ sich selbst in Erinnerungen einer Überflüssigen. Leben und Wesen der Schriftstellerin, und nicht zuletzt ihr dramatischer Selbstmord, geben mancherlei Rätsel auf. „Sei glücklich“ heißt es auf diesem Teeglas aus dem Besitz von Lena Christ, das sich in ihrem umfangreichen Nachlass in der Monacensia befindet.

Zum 100. Todestag von Lena Christ

Am 30. Oktober 1881 wird sie in Glonn im Landkreis Ebersberg geboren, als uneheliche Tochter von Magdalena Pichler, nach der sie auch benannt ist. Ob der Schmiedgeselle Karl Christ tatsächlich ihr Vater ist, ist nicht zweifelsfrei zu klären.

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia, Pa 1267

Will man den autobiographischen Schilderungen glauben, beginnt die Misere mit dem Umzug in die Stadt zur „Münkara Muatta“, die dort eine Gastwirtschaft betreibt. Ein jäher Abschluss der ländlichen Kindheitsidylle und der Geborgenheit bei den Großeltern.

Wie es tatsächlich gewesen ist, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Dass die Umstellung jedoch nicht einfach gewesen sein kann – der Ortswechsel, der Verlust ihrer Bezugspersonen, die Anpassung an das neue Umfeld –, muss kaum angezweifelt werden. Das Lausdirndl, „das mit allen Buben raufte und überall dabei war, wo es etwas anzurichten gab“ (S. 37), „mußte nun alles ländliche Wesen ablegen.“ (S. 43) Sie wird für ihre „bäuerische Sprache“ (S. 43) gescholten, was sie hochgradig einschüchtert. „Auch in der Schule spotteten mich die Kinder aus und nannten mich nur den Dotschen oder die Gescherte.“ (S. 43) Dabei sind es gerade die Überbleibsel dieser Sprache, die ihrem Werk eine spezielle Würze und Authentizität verleihen.

Zitate aus: Lena Christ: Erinnerungen einer Überflüssigen, in: Gesammelte Werke, Süddeutscher Verlag München, 4. Aufl. 1977.

Diese Gegensätze – Land, Stadt, Geborgenheit, Elend – sind durchgängig präsent in dem stark autobiographisch geprägten Werk, das innerhalb weniger Jahre entsteht. Ihr zweiter Ehemann, Peter Jerusalem (später Peter Benedix) animiert sie zum Schreiben. Unter dem Künstlernamen Lena Christ debütiert sie 1912 mit Erinnerungen einer Überflüssigen, es folgen Lausdirndlgeschichten (1913) und Mathias Bichler (1914), Letzteres eine Hommage an ihren Großvater.

Ihre patriotischen Kriegsgeschichten Unser Bayern anno 1914/15 erweisen sich als großer Erfolg. Ludwig III. lädt die Schriftstellerin zu sich; außerdem wird ihr das Ludwigskreuz verliehen, für vaterländische Verdienste. Es folgen Die Rumplhanni. Eine Erzählung (1916) und Bauern. Bayerische Geschichten (1919). Ihr letzter Roman, Madam Bäuerin, erscheint 1920. Daneben reihen sich einige Theaterstücke und Artikel in Zeitschriften.

Sie schreibt am liebsten mit Bleistift, ganze Notizbücher voll, scheint kaum etwas auszubessern oder zu ändern, und sie schreibt am liebsten im Bett.

Da ist einerseits die Liebe zu ihrer bayerischen Heimat, ihr Auge für die Eigenheiten der Leute, die Schilderung von Bräuchen und Alltäglichem, die ihr Werk zu einem wertvollen sozial- und kulturgeschichtlichen Zeugnis machen. Da sind andererseits Schilderungen von Missbrauch, Krankheit, Leid, Verzweiflung, mehreren Selbstmordversuchen. Und Armut. Auch beim Schreiben bleibt ein dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg aus, was sie letztlich dazu veranlasst, Gemälde mit den Signaturen bekannter Künstler zu fälschen und zu verkaufen.

Als der Betrug aufgedeckt wird, zieht Lena Christ für sich die Konsequenzen. Sie hinterlässt zahlreiche Abschiedsbriefe und verfasst am 29. Juni ihr Testament. Am Tag darauf setzt sie ihrem Leben ein Ende; sie stirbt auf dem Münchner Waldfriedhof an einer Dosis Zyankali, die ihr zweiter Ehemann ihr beschafft hat. An ihrem Grab ist als Todesdatum der im Kalender nicht existente 31. Juni festgehalten.

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia, LC 3d22
Foto: Eva Jünger

Autorin: Dr. Katja Jakob, Literaturarchiv

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