Daňa Horáková: Eine Frau, zwei Leben | #femaleheritage

Daňa Horáková. Foto: Tomáš Vodňanský / Český rozhla #femaleheritage

Wer war Daňa Horáková und was genau ist mit ihren „zwei Leben“ gemeint? Das erläutert uns Dr. Zuzana Jürgens, Geschäftsführerin des Adalbert Stifter Vereins, in ihrem Beitrag zu #femaleheritage. Sie geht auf das tschechische und das deutsche Leben der Autorin ein: hier „eine Dissidentin und Philosophin, da eine Journalistin, die für die Illustrierten Interviews mit Stars aller Welt führt.“

Daňa Horáková: Lebenslauf einer deutsch-tschechischen Journalistin und Autorin

Der Anfang gleicht: Wem sagt der Name was? Dieses Mal heißt sie Daňa (Dana) Horáková. Vielleicht erinnert sich ein früherer Leser der Bunte oder der Welt am Sonntag. Oder Hamburgerinnen und Hamburger, wo sie 2002 bis 2004 unparteiliche Kultursenatorin war. Es ist aber lange her… 

In Tschechien, ihrer Heimat, kursiert der Name im öffentlichen Raum erst seitdem sie letztes Jahr das „Buch von Pavel / Kniha o Pavlovi“ (Prag: Torst) veröffentlicht hat, Aufzeichnungen aus und über ihr Zusammenleben mit dem Regisseur Pavel Juráček (1935-1989). Wie typisch, möchte man sagen. Denn wenn man das Buch gelesen hat – leider liegt es nur auf Tschechisch vor –, möchte man zwingend ein Buch über die Autorin selbst in der Hand halten. Über 

  • eine Frau, die zwei sehr unterschiedliche Karrieren hatte, einmal in Tschechien und einmal in Westdeutschland, 
  • die Kraft, die dahintersteckt, darüber, was sie geprägt hat, 
  • eine Frau, die sich nicht als Feministin betrachtet, die jedoch die Emanzipation und Gleichberechtigung sehr wohl im Blick hat und hatte. 
Daňa Horáková. Foto: Tomáš Vodňanský / Český rozhla #femaleheritage
Daňa Horáková. Foto: Tomáš Vodňanský / Český rozhlas

In ihrem Buch „Starke Frauen, verehrt, geliebt, verteufelt“ (Köln: Quadriga 2011) zitiert sie Hildegard von Binnen

Gott schuf den Menschen, und zwar den Mann von größerer Kraft. Die Frau aber mit zärterer Stärke. 

Vielleicht passt es auch zu ihr.

Geboren am 27. März 1947 im sächsichen Grünbach, Mutter eine deutsche Kommunistin, Vater im 2. Weltkrieg tschechischer Zwangsarbeiter, kam Daňa Horáková als kleines Kind mit ihren Eltern nach Prag. Wegen ihrer halbdeutschen Herkunft wurde sie dort verspottet. Dass Deutsch einer ihrer Muttersprachen war, stellte sich später als ein Vorteil heraus. Sie studierte Philosophie in Prag und New York, die Zeit des Prager Frühlings machte es möglich. 

Nach 1970, als die Zeit der harten kommunistischen sogenannten Normalisierung bereits im vollen Gang war, 

  • organisierte Horáková bei sich zu Hause inoffizielle Treffen verbannter Intellektueller, 
  • war in Kontakt mit Korrespondenten westlicher Zeitungen 
  • und gründete 1975 gemeinsam mit Václav Havel einen Samisdat-Verlag, Edice Expedice, einen Selbstverlag für verbotene Literatur und Philosophie. 
  • Sie gehört zu den Signataren der Charta 77.
Daňa Horáková mit dem Produzenten Karel Dirka (Mitte) und Pavel Juráček am Münchner Oktoberfest 1980.Quelle: D. Horáková, Kniha o Pavlovi, Prag: Torst 2020.
Daňa Horáková mit dem Produzenten Karel Dirka (Mitte) und Pavel Juráček am Münchner Oktoberfest 1980.Quelle: D. Horáková, Kniha o Pavlovi, Prag: Torst 2020.

Heirat, Umzug nach München und Arbeit als Autorin

Als aktive Dissidentin wurde Daňa Horáková von der tschechischen Geheimpolizei beschattet und verhört. Tatsächlich war sie auf dem besten Weg ins kommunistische Gefängnis. Den Bruch dieser Karriere brachten nicht die Gefahren, sondern die Heirat mit Pavel Juráček, einem der vielversprechenden Regisseure und Drehbuchautoren der tschechischen Neuen Welle. Sein Film Postava k podpírání (Joseph Kilian) gewann 1964 den Hauptpreis in Oberhausen. Juráček war im privaten Leben eine mehr als komplizierte Persönlichkeit und ein begnadeter Autor, beides bezeugen seine umfangreichen Tagebücher. 

In den 1970ern Jahren war Pavel Juráček bereits mit einem Drehverbot belegt und versuchte in Westdeutschland Fuß zu fassen. Hier lebten seine erste Ehefrau und Tochter. Er kam jedoch, so Horáková, mit den Bedingungen und Einschränkungen des freien Marktes nicht zurecht. Sie heiratete Juráček 1979 – die Hochzeit hat die Geheimpolizei eingefädelt. Ihr Trauzeuge, der Schriftsteller Ludvík Vaculík, bezichtigte sie später zu Unrecht der Kooperation mit der Geheimpolizei. Daňa Horáková reiste mit ihrem Mann nach München aus.

Ein Blick aus der Wohnung von Daňa Horáková und Pavel Juráček in den Amalienpassagen in München. Quelle: D. Horáková, Kniha o Pavlovi, Prag: Torst 2020.
Ein Blick aus der Wohnung von Daňa Horáková und Pavel Juráček in den Amalienpassagen in München. Quelle: D. Horáková, Kniha o Pavlovi, Prag: Torst 2020.

In der 1-Zimmer-Wohnung in der Amalienpassage, Amalienstraße 87, angekommen, war die Lage wie folgt: Horáková hatte noch vor ihrer Ausreise ein deutsches Stipendium bekommen, sie wollte über Fragen der Emanzipation bei den Gründern des Marxismus-Leninismus schreiben. Da Juráček trotz seiner Kontakte und Auftragsangebote so gut wie kein Geld verdiente, übernahm sie die Verantwortung und suchte sich einen Putzjob. Das Stipendiumprojekt blieb unvollendet. 

Daňa Horáková versucht in ihrem Buch festzuhalten und zu verstehen, warum sie an der Beziehung mit Juráček so lange bis 1983 festhielt. Denn diese war durchaus mit Gewalt verbunden, sie fand sich in einer mehr als klassischen weiblichen Rolle wieder. Zugleich zeichnet sie die von Männern dominierten Strukturen nach, wie sie sich aus Tschechien auch in die Kreise der Exilanten übertrugen. 

Zuerst nur die Frau an der Seite des berühmten Regisseurs trat sie allmählich aus dieser Rolle heraus. Auf der Basis ihrer gleichnamigen Novelle schrieb sie gemeinsam mit dem Regisseur Werner Schroeter das Drehbuch für den Film „Tag der Idioten“ (1981). Dieser wurde in Prag und München gedreht und gewann 1982 den Deutschen Filmpreis in Gold in der Kategorie Beste Regie. Sie schrieb Hörspiele für den Bayerischen Rundfunk, als Auftragsarbeit drei Bücher über Bedeutung der Vornamen für die Persönlichkeit („Dein Name ist Dein Schicksal. Anna – Helene – Maria“, 1982). 

Plakat zum Film: Tag der Idioten.
Plakat zum Film: Tag der Idioten.

Daňa Horáková als Journalistin

Die zweite Karriere von Daňa Horáková ist eine journalistische und hat wenig mit Philosophie und intellektuellen Debatten zu tun – sie schrieb für Westermanns Monatshefte, anschließend war sie als Kultur-Ressortleiterin für die Bildzeitung, die B.Z. und die Bunte tätig. 2000 bis 2001 hatte sie den Posten der stellvertretenden Chefredakteurin der Welt am Sonntag inne. Von dort wurde sie für 2002 bis 2004 als parteilose Kultursenatorin nach Hamburg angeworben. Eine vergleichbar erfolgreiche Laufbahn einer tschechischen Exilantin in Westdeutschland ist mir nicht bekannt. Dies trifft mit wenigen Ausnahmen übrigens auch auf die männlichen Pendants zu. 

Es sind tatsächlich auch zwei sehr unterschiedliche Leben, das tschechische und das deutsche, hier eine Dissidentin und Philosophin, da eine Journalistin, die für die Illustrierten Interviews mit Stars aller Welt führt. Bei aller Kritik insbesondere bezüglich ihrer politischen Tätigkeit in Hamburg, die man in der Presse finden kann, sind diese beiden Welten jedoch durch sie als eine integrale Persönlichkeit verbunden. Wie Alena Zemančíková in der Besprechung des „Buches über Pavel“ schrieb: 

Ich sehe vor mir eine funkelnde Persönlichkeit, gebildet, aber auch außergewöhnlich arbeitsam, selbstbewusst, und ich kann nicht übersehen, dass auch aufopfernd, mit einem klaren System der Werte, zu denen sie sich nicht nur bekennt, sondern die sie auch durchsetzt. … [solche] Frauen fehlen uns im größeren Maße als Beispiele und Vorbilder, als Beschützerinnen und Inspiratorinnen ihrer geistigen ‚Schwestern und Töchtern‘. Die im öffentlichen Raum übrigens auch fehlen.

Alena Zemančíková Daňa Horáková píše O Pavlovi / Dana Horáková schreibt über Pavel

Feminismus und Emanzipation

Daňa Horáková schloss sich nie einer feministischen Bewegung an. In Gesprächen drückt sie immer wieder ihre Überzeugung aus, dass Frauen auch ohne solch einer Struktur erfolgreich waren und sind, ohne jedoch die Errungenschaften dieser Bewegungen für Emanzipation in Frage zu stellen. In das Thema wurde sie zu Beginn der 1970er Jahre durch ihren Doktorvater, den Philosophen Milan Machovec eingeführt. Er gilt unter anderem als Kritiker des patriarchalen Systems und ein Feminist. 

Auf der „praktischen“ Ebene prägte sie die Erfahrung aus der Beziehung mit Juráček. In ihren populären Texten stellt sie „starke“ Frauen der Geschichte vor und weist immer wieder die Hürden auf, trotz denen sie sich in der patriarchalen Welt durchgesetzt haben. Der Begriff „starke Frau“ bedarf sicher einer Diskussion. Das weiß Horáková bestimmt, denn natürlich sollen auch die anderen Frauen gerechte Chancen haben. Davon spricht sie in einem tschechischen Interview

Gelebte Emanzipation kann keiner Frau gleichgültig sein […] Vielleicht ist es an der Zeit auch in Theorie zwischen der Emanzipation der Single-Frau und der sogenannten Hausfrauen zu unterscheiden… [Es versteckt sich hier] ein gewisses philosophisches Problem: nämlich unsere Beziehung zur Arbeit und ihrem Wert. […] Solange man nur das als Arbeit betrachtet, wofür man bezahlt wird, werden archaische, patriarchale Stereotypen in der Meinung bezüglich des Wertes und der politisch-gesellschaftlichen Stellung der Frau vorherrschen. Der Wert der Arbeit definiert den Wert des Menschen. Die Hauptaufgabe der heutigen Feministin sollte sein, die Hausarbeit neu zu bewerten. Es ist in keinem Fall ein Dienst oder existentielle Pflichten oder der Los, sondern eben Arbeit.

Sie selbst ist eine Einzelkämpferin, mit einem scharfen Blick für Ungerechtigkeiten. Eine Macherin, eine Frau, die nicht aufgibt, und die, zumindest so wirkt es nach außen, selbstbewusst und stolz auf das, was sie erreicht hat, und nun ja – stark ist.

Lesetipp: Artikel von Zuzana Jürgens zur Vernetzungsaktion #ErikaMann bei uns im Blog

Adalbert Stifter Verein e.V.
Hochstraße 8
81669 München

www.stifterverein.de
www.facebook.com/AdalbertStifterVerein
#ZuzanaJuergens

Autor*innen-Info

Profilbild Zuzana Jürgens

Dies ist ein Gastbeitrag von Zuzana Jürgens

Dr. Zuzana Jürgens ist Geschäftsführerin des Adalbert Stifter Vereins. Sie studierte Bohemistik an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag, seit 2001 lebt sie in Deutschland. Sie war Direktorin des Tschechischen Zentrums München (2009–2014) und Düsseldorf (2010-2013) und 2016–2019 Projektleiterin des Europe Direct Informationzentrums München. In den Jahren 2001-2018 lehrte sie tschechische Literatur an der Universität Konstanz, der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Ludwig-Maximilian-Universität München. Sie ist außerdem als Literaturkritikerin, Moderatorin, Übersetzerin und Kulturmanagerin tätig. Foto: © Denisa Alva.

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