Hildebrands San Francesco di Paola ist ein Künstleridyll ohnegleichen: Die Umbauten stehen im Dialog mit der Geschichte, eine frühe Form des Denkmalschutzes, dem sich auch seine Nachfahren verpflichtet fühlen. Folgt durch die Räume mit ihren prächtigen Fresken und Wandmalereien und den idyllischen Park, den Irene von Hildebrand dramaturgisch komponierte.
Mit dem Familienleben verbanden sich auch neue Ansprüche an das Wohnen in dem ehemaligen Kloster San Francesco di Paola. Dabei war es Adolf von Hildebrand ein Bedürfnis, beständig an seiner Lebenswelt zu arbeiten und sie zu verschönern.1 So wurden ab 1876 vereinzelt Räume zusammengelegt und vergrößert, Wände mit Fresken und Reliefs ausgestattet oder mit wertvollen Gobelins geschmückt.
Im ganzen Haus sah man auch Hildebrands Vorliebe für italienisches Mobiliar und Antiquitäten versinnbildlicht: Wertvolle Möbelstücke wie Tische, Schränke und Truhen aus Nussbaum- und Eichenholz, insbesondere Bologneser Mobiliar bildeten den Kern der Einrichtung. Der Künstler sah in ihnen „selbständige Gebilde”, die in dem besonderen Bewusstsein ihrer Raumwirkung zu platzieren seien.2 Isolde Kurz erinnert sich:
Die monumentalen, fast leeren Räume, die des Künstlers eigene Hand im Laufe der Jahre so reichlich geschmückt hat, enthielten damals nur wenige gleichfalls mächtige und monumentale Möbel, wie aus dem Raum gewachsen […]3
Umbauten von San Francesco di Paolo – im Dialog mit der Geschichte des Hauses
Als oberste Prämisse bei allen Eingriffen galt, den klösterlichen Charakter der Anlage zu bewahren. Alle Zeitschichten des Gebäudes sollten erhalten bleiben, um darin Inspiration und Anregung zu erfahren. Hildebrand trat mit der Geschichte des Hauses in einen Dialog und sah sich einer frühen Form von Denkmalschutz verpflichtet. Der Bildhauer setzte damit Maßstäbe, die auch für seine Nachkommen Gültigkeit besaßen: Kinder-, Enkel- und Urenkelgeneration blieben jener konservatorischen Vorgabe treu und erhalten und pflegen das Anwesen bis in die Gegenwart hinein.
Bei den Umbauarbeiten konzentrierte sich Hildebrand zunächst auf den Wohnbereich der Familie im ersten Stockwerk.4 In den frühen Achtzigerjahren ließ er im Westflügel mehrere Räume zusammenlegen, um ein großes Speisezimmer mit edlem Parkett einzurichten, wie aus den Erinnerungen seines Enkels Harry Brewster hervorgeht. 5 Gegessen wurde dort an einem langen rechteckigen Tisch aus Nussbaumholz, um den sich zehn antiquarisch erworbene Stühle mit Schnitzereien und hohen Rückenlehnen reihten.6
Auch die beiden letzten Zimmer, die sich links an das Speisezimmer anschlossen, wurden miteinander verbunden. Außerdem ließ Hildebrand die Decke zur zweiten Etage durchbrechen und in stolzen sieben Metern Höhe schließen. So entstand ein herrschaftlicher Salon mit großen Fenstern und Terrassentüren, der vermutlich als Studienraum für Zeichen- und Malübungen, aber auch zu Repräsentationszwecken genutzt wurde.
Jahre später ließ der Künstler die kleine Südterrasse zu einer „schöne[n] gewölbte[n] Halle“7 ausbauen und schuf so einen harmonischen Übergang von der Geisteswelt des Innenraumes zur landschaftlichen Idylle.
Fresken und Wandmalereien
Mit der Geburt der ersten Kinder begann Hildebrand die Villa mit Fresken und Wandmalereien auszuschmücken. Kenntnisse in der Freskotechnik hatte der Bildhauer in Neapel erworben, wo er zusammen mit Hans von Marées die Bibliothek der Zoologischen Station ausstattete.8 Auch der intensive Kontakt, den Hildebrand in den Achtzigerjahren zu den Malern Hans Thoma, Ernst Sattler, Albert Lang und Wilhelm Füssli pflegte, mag ihn besonders motiviert haben, selbst zu malen.
Der am prächtigsten mit Fresken und Wandmalereien ausgestattete Raum ist das Schlafzimmer von Hildebrands Frau Irene. Hier reihen sich persönliche Porträts der Familie an mythologische und biblische Darstellungen, die als Hommage Hildebrands an die Formensprache der italienischen Renaissance verstanden werden können.
Noch heute zeugt dieser Raum, wie auch viele andere in der Villa, von dem kreativen Wirken Hildebrand selbst, seiner begabten Töchter und Künstlerfreunde.
Der Park auf San Francesco – eine Toskanische Landschaft en miniature
Die „wunderbare Stimmung“ auf San Francesco, wie sie selbst noch ein Jahrhundert später Georg Baselitz beschrieb,9 und die viel beschworene Künstleridylle, wären ohne den Park nicht denkbar gewesen. Dieser machte das Ensemble komplett und war vornehmlich Irene von Hildebrands Werk. Sie war es, die das große Gelände in einer abwechslungsreichen Dramaturgie aus freien und bewachsenen Flächen anlegen ließ und sich leidenschaftlich um die Bewirtschaftung der Anlage kümmerte.10
Heute geht eine herbe Schönheit von dem Park mit seinem urwüchsigen Baumbestand, den stolzen Zypressenalleen (Abb. 15), dem mythisch anmutenden Paretaio, der majestätischen Mammutzeder und den knorrigen Steineichen aus, die Irene bei der Geburt jedes Kindes pflanzen ließ.
Wie in einem Bilderbuch spiegelt sich die toskanische Landschaft en miniature in der Hildebrand’schen Anlage mit ihren Gefällen und steilen Anstiegen, großzügig ausbreitenden Obstbaumwiesen und Olivenhainen eindrücklich wider. In seiner wilden Romantik knüpft der Park von San Francesco an das Vorbild des Landschaftsgartens an, der nach Adrian von Buttlar
im Spannungsfeld zwischen Arkadia und Utopia, zwischen der Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies und dem Wunschbild einer wahrhaft humanen und liberalen Gesellschaft“ steht.11 Arkadien und Utopien trafen so auch auf San Francesco di Paola aufeinander, und manch ein sensibler Besucher verortete genau hier einen Splitter vom „Goldenen Zeitalter“.12
- Dieser Artikel fasst wesentliche Aspekte meiner Dissertation zusammen. Vgl. Ehrhardt, Felicitas, Ästhetisches Utopia. Adolf von Hildebrand und sein Künstlerhaus San Francesco di Paola in Florenz, Regensburg, 2018, vgl. hierzu insbes. S. 110–130. ↩︎
- Vgl. Adolf von Hildebrand, Einiges über die Bedeutung von Größenverhältnissen in der Architektur (1899), in: ders., Gesammelte Schriften, bearb. von Henning Bock, 1969, S. 375. ↩︎
- Kurz, Isolde: Adolf Hildebrand zu seinem 60. Geburtstage, in: dies., Florentinische Erinnerungen, Stuttgart, Berlin und Leipzig, 1923, S. 178. ↩︎
- Das zweite Stockwerk, in dem Hans von Marées bis 1875 lebte, blieb spartanisch in Ausbau und Einrichtung und wurde nach und nach zum Reich der Kinder, vgl. Ehrhardt, 2018, S. 117. ↩︎
- Vgl. Brewster, Harry: A Record. Blatt 4, in: Familienarchiv Brewster/Peploe, Florenz. ↩︎
- Vgl. Ehrhardt, 2018, S. 116. ↩︎
- Hildebrand an Conrad Fiedler, 21. November 1890, in: BSB, Ana 550, BS Vorarbeiten, Korrespondenz. ↩︎
- Zu Hildebrands Anteil an den Fresken der Zoologischen Station in Neapel, vgl. Esche-Braunfels, Sigrid: Die Neapler Fresken, S. 526–528, in: dies., Adolf von Hildebrand (1847–1921), Berlin, 1993; Esche-Braunfels, Sigrid: Hildebrands Anteil an den Fresken in Neapel, in: „In uns selbst liegt Italien“: die Kunst der Deutsch-Römer, Kat. der Ausst., (München) hg. von Christoph Heilmann, München, 1987, S. 65–70. ↩︎
- Vgl. Ehrhardt, 2018, S. 214. ↩︎
- „Meine Frau dirigiert die große Landwirtschaft mit Feuer”, Hildebrand an Conrad Fiedler, 18. März 1882, in Jachmann, Günther (Hg.): Adolf von Hildebrand, Briefwechsel mit Conrad Fiedler, Dresden, 1927, S. 185. ↩︎
- Adrian von Buttlar, Der Landschaftsgarten: Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik, Köln 1989, S. 17. ↩︎
- Isolde Kurz, Adolf Hildebrand zu seinem 60. Geburtstage, 1923, S. 178. ↩︎