Im Dezember erinnert die Monacensia an einen der wichtigsten und produktivsten deutschen Dramatiker, Schriftsteller und Filmemacher, der am 19. Dezember 95 Jahre alt geworden wäre: Tankred Dorst. Ein neuer Beitrag in unserer Rubrik „Schätze der Monacensia“.
Tankred Dorst wird 1925 in Oberlind bei Sonneberg in Thüringen geboren. Er besucht das Gymnasium, bis seine Einberufung zum Reichsarbeitsdienst 1943 seine Schullaufbahn abrupt beendet. 1944 wird der 19-jährige Tankred zur Wehrmacht eingezogen und kurz darauf an die Westfront geschickt. Drei Jahre später kehrt er aus der englischen und amerikanischen Kriegsgefangenschaft zurück. In Westdeutschland holte er 1950 sein Abitur nach. Anschließend studiert er in Bamberg und in München Germanistik, Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte.
Früh übt sich: Tankred Dorst beginnt zu schreiben
Seinen ersten dramatischen Text verfasst Dorst bereits als Elfjähriger: Er nutzt Erfahrungen aus dem Geschichtsunterricht und widmet sich einem patriotischen Thema, nämlich der Einführung der Kartoffel in Preußen.
Erste praktische Erfahrungen als Stückeschreiber zeitkritischer Texte sammelt er bis Mitte Dreißig am selbst gegründeten studentischen Marionettentheater „Das Kleine Spiel“ in Schwabing.
Ab den 1960er Jahren wird Dorst durch seine Drehbücher und als Regisseur, auch international, rasch bekannt und gehört seither zu den meistgespielten und bedeutendsten Autoren des deutschen Gegenwartstheaters.
Tankred Dorst und Ursula Ehler: Ein Erfolgsgespann
Seit Anfang der 1970er Jahren begleitet Ursula Ehler ihn als Lebensgefährtin und Co-Autorin durch sein Leben und Werk. Die Stücke dieser Zeit beschäftigen er sich vor allem mit der psychologischen Betrachtung des Bürgertums. Mit „Toller“, „Sand“, „Die Schattenlinie“ oder „Eiszeit“, um nur wenige Meilenstein zu nennen, wurde hier Theatergeschichte geschrieben. In Dorsts über 50 Stücken setzt er sich in unterschiedlichster Weise mit den Fragen der menschlichen Existenz auseinander.
Theater ist für mich eine Art Experiment: der immer wieder unternommene Versuch, den jetzt lebenden Menschen mit dem, was ihn ängstigt, was er schafft und was ihn begrenzt, auf der Bühne sichtbar zu machen …
Tankred Dorst in „Die Bühne ist der absolute Ort“, 1962.
Stücke für Kinder
Aus der Feder von Tankred Dorst stammen auch Texte und Theaterstücke für Kinder. Bereits 1966 schreibt er ein Buch mit dem Titel „Die mehreren Zauberer. Sieben Geschichten für Kinder“. Der Münchner Künstler Franz Josef „Pepperl“ Ott hat das farbenfrohe Bilderbuch illustriert. Es handelt vom blauen, grünen, roten und gelben Zauberer und Onkel Conz, die auch im späteren Kinderstück „Der vergessene Zauberspruch“ eine Rolle spielen.
Eigentlich ist Tankred selbst der Zauberer
Ursula Ehler in einem Gespräch mit der Regisseurin Anja Sczilinsky
Die Welt der Märchen, Mythen und Zauberer
Vor allem in den 1980er Jahren befassen sich Dorst und seine Frau weiter intensiv mit der Welt der Märchen, Mythen und Zauberer, und versuchen die Bildwelt des Unbewussten szenisch umzusetzen. Hier steht an erster Stelle das große Schauspiel „Merlin oder Das wüste Land“, das in 97 Szenen die Sage vom Zauberer Merlin erzählt und dabei Teile des frühmittelalterlichen Artusstoffes und die Heldengeschichten um Lancelot und Parzival verarbeitet.
2006 wagt sich Dorst zusammen mit seiner Frau an die Opernneuinszenierung von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth.
Preise und Auszeichnungen
Die zahlreichen Stipendien und Auszeichnungen, die Dorst ab 1970 meist zusammen mit Ursula Ehler erhält, reichen vom Tukan-Preis 1969, dem Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 1983 und dem Georg Büchner Preis 1990 bis zum Kulturellen Ehrenpreis 2005 der Landeshauptstadt München (gemeinsam mit Ursula Ehler) und dem Brücke Berlin Initiativpreis 2014 . Auch im Ausland findet Dorst große Beachtung, so erhält er z.B. in Australien und Neuseeland Gastprofessuren.
Seit seiner Studienzeit 1951 lebt Dorst in München/Schwabing, ab 2013 in Berlin. Dort stirbt er am 1. Juni 2017 im Alter von 91 Jahren. Beerdigt wird er auf dem Bogenhausener Friedhof St. Georg in München.
Eigentlich ist das ganze Leben eine Niederlage, jedenfalls endet es mit einer
Tankred Dorst
Die Monacensia sieht es als großen Schatz, dass in ihrer Bibliothek Tankred Dorsts Werk seit 1959 gesammelt und in umfangreichen Mappen dokumentiert wird. Die Materialien können dort eingesehen bzw. ausgeliehen werden.
Christine Hannig/Monacensia Bibliothek