Was hat die Schmankerl Time Machine mit der Kunst des Essens und Digitalisierung zu tun? Welche Rolle spielt dabei die Sammlung von Speisekarten in der Monacensia? Kennt ihr schon das Tartar-Rezept von Erika Mann und wie sie damit umgegangen ist? – Thomas Schütte, Leiter des Literaturarchivs, beteiligt sich am BlogSlam zum #TagDerArchive.
Speisekarten – Die Kunst des Essens
Im Nachlass der vielgereisten Autorin und Journalistin Erika Mann findet sich eine vorgedruckte Karte. Darauf beschreibt die Tochter Thomas Manns detailliert, wie sie ihr Steak Tatare zubereitet haben möchte:
Die Karte war offensichtlich für die Hotels bestimmt, in denen die Journalistin übernachtete. Die Tatsache, dass es sich um einen professionellen Druck handelt, deutet darauf hin, dass sie bei der Zubereitung auf Nummer sicher gehen wollte.
Dabei waren unzählige Hotelrestaurants und Gaststätten mit exzellenten Köchen ausgestattet, die zum Teil sehr aufwendige Gerichte anboten. So auch in München.
Speisekarten in den Sammlungen der Monacensia
Eine umfangreiche Sammlung von Speisekarten in der Bibliothek der Monacensia lässt diese kulinarische Welt wieder lebendig werden. Sie umfasst knapp vierhundert Speisekarten, überwiegend aus dem 20. Jahrhundert. Neben der gehobenen Hotelrestaurationen sind auch einfache Wirtschaften und mit dem Armbrustschützenzelt sogar ein Oktoberfestzelt vertreten.
Zwei Schwerpunkte lassen sich in der Sammlung ausmachen:
- Erstens, Speisekarten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Sie wurden in der Monacensia systematisch gesammelt und geben einen Einblick in die Rationierung von Lebensmitteln in München. Auffallend ist, wie schnell einfache, wenig aufwendige Gerichte die zuvor kunstvolle Küche ablösten.
- Zweitens, Menükarten aus dem Jahr 1938. Auch im Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs muss eine Person systematisch durch die Münchener Wirtschaften gezogen sein, um das Speisenangebot zu dokumentieren.
Die Forschungsmöglichkeiten mit dieser Sammlung von Speisenkarten sind vielfältig. Gerade in Krisenzeiten lässt sich die Verfügbarkeit von Lebensmitteln für die breite Bevölkerung nachvollziehen. Die „Eindeutschung“ vieler Benennungen in der NS-Zeit verweist auf sprachliche Ge- und Verbote in der Diktatur.
Der Einzug neuer Gerichte und Zubereitungsformen in Münchens Restaurantküchen lässt Rückschlüsse auf die Geschichte des Kochens zu. Die grafische Aufbereitung der Karten erlaubt es, die Bedeutung des visuellen Eindrucks für das Selbstverständnis der Wirtschaften zu untersuchen. Nicht zuletzt dienen die Karten in der „Schmankerl Time Machine“ als Anregung, sich mit alten Gerichten und Gaststätten zu beschäftigen.
Schmankerl Time Machine – eine interaktive Anwendung zu Münchner Gastbetrieben
Die Schmankerl Time Machine ist das Ergebnis eines Hackathons im Rahmen von „Coding DaVinci“ 2019., Hier hat eine engagierte Gruppe aus der digitalisierten Speisekartensammlung eine interaktive Anwendung gebaut. Auf einer Stadtkarte lassen sich so die alten Gaststätten im Netz finden und das kulinarische Angebot teilweise über mehrere Jahrzehnte zurückverfolgen. Außerdem macht das System Menüvorschläge, so dass sich die Besucher*innen der Seite bei ihrer eigenen Essensplanung inspirieren lassen können.
Wer die Sammlung der Speisekarten angelegt hat, ist nicht mehr bekannt. Seine oder ihre Intention ist jedoch nachvollziehbar: die kulinarische Vielfalt der Stadt zu dokumentieren. Und vielleicht diente die Sammelleidenschaft auch als Vorwand, möglichst oft essen zu gehen.
Lesetipps:
- Schmankerl Time Machine
- Projektbeschreibung zu Schmankerl Time Machine
- Allgemein zu Coding DaVinci
- Tartare-Rezept der Erika Mann im Literaturarchiv
- Mehr zu Erika Mann siehe die Sonderausstellung „Erika Mann. Kabarettistin – Kriegsreporterin – Politsche Sprecherin“