Wer sind und was machen die Literatinnen in der Gedok München? Was sind die Hintergründe? Und warum fördert und vernetzt die Gedok Frauen in der Kunst? Ein Beitrag zur Blogparade #femaleheritage.
Die Jahresausstellung 2020 der Gedok München mit dem Thema WIND hätte etwas ganz Besonderes werden sollen. Erstmals hatten die Bildenden Künstlerinnen die anderen Kunstsparten eingeladen, von Anfang an gemeinsam zu planen, also das Thema gemeinsam zu finden, und womöglich auch sich gegenseitig zu inspirieren, um spartenübergreifende Kunstwerke zu schaffen. So weit kam es tatsächlich. Seit dem 24. Oktober 2020 sind im Buchheim-Museum über 100 Werke der Gedok-Künstlerinnen zum Thema WIND ausgestellt (bis 21.02.2021). Nur leider ist das Museum zurzeit geschlossen, Performances mit Lesungen und Musik sind abgesagt.
Was oder wer ist die Gedok?
Die Gedok (Gemeinschaft deutscher und oesterreichischer Künstlerrinnen aller Kunstgattungen) ist die größte und traditionsreichste interdisziplinäre Künstlerinnenorganisation in Deutschland. Sie wurde 1926 von Ida Dehmel gegründet. Diese großzügige, weitblickende Frau wurde 1933 von den Nazis aus der Gedok ausgeschlossen; sie nahm sich 1942 das Leben. Nach dem Krieg wurde der Verein neu gegründet, heute gibt es 23 regionale Gruppen. Die Gruppe München vertritt über 300 Künstlerinnen (nur Frauen) aus den Sparten Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Musik, Literatur. Außerdem gibt es die Gruppe der Fördermitglieder, die auch Männer aufnimmt.
Der Verein fördert insbesondere die künstlerische Arbeit von Frauen und leistet institutionelle und praktische Hilfe zur Gleichstellung von Frauen im Kulturbetrieb. Er ermöglicht interdisziplinäre Kunstprojekte und die Vernetzung der Künstlerinnen untereinander.
Den Literatinnen war diese Vernetzung immer besonders wichtig.
Literatinnen und Vernetzung – Formate der Zusammenarbeit
Texte und Töne
Die Literatinnen haben diverse Formate der Zusammenarbeit geschaffen, allen voran die seit 1998 alljährlich stattfindende Veranstaltung Texte und Töne. Hierbei wählen zwei Literatinnen ein Thema aus, zu dem sie eigene Texte vortragen, wie zum Beispiel:
- Fliegen und fallen (2012 mit Alma Larsen, der Begründerin der Reihe, und Ulrike Budde),
- Gute Mutter, böse Mutter (2004 mit Barbara Yurtdas und Katharina Ponnier),
- Wie Leben sich erzählt (2020 mit Gunna Wendt und Ursula Haas).
Die Literatinnen laden dann eine Musikerin aus den Reihen der Gedok ein, die Texte musikalisch zu kommentieren. 2018 konnte das beliebte Format sein zwanzigjähriges Bestehen in der Seidlvilla feiern mit einer Lesung von Sabine Jörg und Franziska Ruprecht, am Klavier Serena Chillemi. Ein zweitägiges Festival mit Beiträgen aller Gedok-Literatinnen scheiterte schlichtweg am Geld.
Die angemessene Honorierung von weiblichen künstlerischen Leistungen ist in der Gedok ein wiederkehrendes Thema. Die Literatinnen in der Gedok sind Profis, die den Vortrag ihrer oft eigens für den Anlass geschaffenen Texte anerkannt sehen wollen. Es entspricht dem Gründungszweck der Gedok, sich für die öffentliche Wertschätzung (die sich u.a. im Honorar ausdrückt) von Künstlerinnen einzusetzen.
Texte und Lesungen zu Walpurgis
Vor einigen Jahren haben die Literatinnen ein zweites Format entwickelt. An Walpurgis, also am 30. April, lesen sie eigene Texte zu einem vorher gemeinsam festgelegten Thema, das dem Anlass entsprechend mit weiblicher Selbstbestimmung, Wildheit, Vernetzung zu tun hat. Bisher ging es nicht nur um „Hexen“, Feen und andere kreativ umgestaltete Märchenfiguren, sondern auch um Inspiration durch die „Ahninnen“, wie die verstorbenen Literatinnen innerhalb und außerhalb der Gedok bezeichnet werden.
#femaleheritage und Anthologien
Dieses femalheritage ist der Literatinnengruppe seit langem ein Anliegen. 2015 beteiligte sie sich mit einer Lesung im Münchner Stadtmuseum unter dem Thema Was bleibt was ändert sich? Münchner Dichterinnen lesen Münchner Dichterinnen im Rahmenprogramm der Ausstellung Ab nach München (12.9.2014 – 8.2.2015). Beispielsweise erfand Barbara Yurtdas für den Roman Alltagsmenschen von Carry Brachvogel einen anderen Schluss, der entschiedener die Frauenrechte vertritt. Anregen ließen sich außerdem
- Ulrike Budde durch Gisela Elsner,
- Augusta Laar durch Ruth Schaumann,
- Alma Larsen durch Regina Ullmann,
- Katharina Ponnier durch Annette Kolb,
- Sarah Ines durch ihre Mutter Karin Struck.
Von literarischen Ahninnen inspiriert war auch die vierte Anthologie der Gedok-Literatinnen mit dem Titel GHOST Reiterinnen, die 2016 erschien. Jeweils durch ein Zitat von z.B. Ingeborg Bachmann, Inger Christensen, Ruth Schaumann, Karin Struck, Hanna Höch, Franziska zu Reventlow, Annette von Droste-Hülshoff ließen sich die Autorinnen inspirieren zu Gedichten und Prosatexten, im Einzelfall auch zu dialogischer Form.
Bei den vorhergehenden Anthologien hatten die Autorinnen gemeinsam ein Thema erarbeitet, zu dem sie jeweils einen oder mehrere Texte erstellten. Sommertage erschien 2005 mit Beiträgen von Gunhild Bohm, Gisela Corleis, Marianne Hofmann (+), Alma Larsen, Helga Laugsch, Susi Piroué, Katharina Ponnier, Magdalena Schlesak, Ulrike Tillich(+), Gunna Wendt und Barbara Yurtdas. Dieselben Literatinnen, dazu Sabine Jörg, erstellten die zweite Anthologie (2009) unter dem Titel verwünscht verwunschen.
Die dritte Anthologie mit dem Titel VERFÜHRT Poesie des Idols macht mit ihren anspruchsvollen Texten (diesmal neu dabei Sylvia Kabus und Angela Kreuz) und der Buchgestaltung durch die Künstlerin Dörthe Bäumer deutlich, wie die Sparten in der Gedok sich gegenseitig bereichern.
Gedok – Lesungen und Zusammenarbeit
Zu welch wunderbaren Ergebnissen die spartenübergreifende Zusammenarbeit führen kann, zeigten zwei Performances, bei denen nicht nur die Literatinnen, sondern Musikerinnen und Bildende Künstlerinnen beteiligt waren, nämlich Entpuppung zur Feier von 80 Jahren Gedok 2006 im Gasteig (Wiederholung in Landshut 2007) und uns auf schwingen 2010 im Theater Schwere Reiter.
Manchmal gehen die Literatinnen mit ihren Lesungen nach auswärts, oft im Zusammenhang mit der Jahresausstellung, an deren Thema die Literatinnen anknüpfen, zum Beispiel Körper (Rosenheim und Traunstein 2004), Sommerfrische (Murnau 2005), Serienweise Burghausen 2006), Expedition (Gräfelfing 2019).
Die Gedok-Literatinnen traten als Gruppe verschiedentlich auch zu Lesungen in Buchhandlungen auf, außerdem mehrfach im Schamrock-Salon und beim Schamrock Festival sowie in und mit der Magda-Bittner-Simmet-Stiftung. In der Galerie der Stiftung beteiligten sich die Gedok-Literatinnen auch am Münchner Faust-Festival (2018).
Das Ziel der Gedok, Frauen in der Kunst zu fördern und zu vernetzen, ist heute keineswegs überholt. Junge Literatinnen sind herzlich eingeladen, das Erbe der literarischen Ahninnen fortzuführen.