Was hat Punk mit dem Wagnis zu tun, einen Kunstraum in München in Corona-Zeiten zu eröffnen? Das verrät Kilian Ihler, Mitbegründer des Offspace achtzehnkommazwei, in seinem Beitrag zur Vernetzungsaktion „Autonome Räume“*. Es geht um ein trotziges Dennoch, künstlerischen Freiraum, eine Haltung zum gesellschaftlichen Diskurs von Diversität und Inklusion und um das Motto: „Die Kunst geht weiter …“
Kunstraum in München: Dieser kleine Funken Dennoch
Das ist aber mutig, dass ihr das macht!
Besonders in den ersten Monaten, in denen wir unseren Kunstraum aufgebaut haben, haben meine Mitstreiterin Anna Wondrak und ich diesen anerkennenden Satz häufig von Künstler*innen, Besucher*innen wie Passant*innen zu hören bekommen. Doch was hat es mit Mut zu tun, was soll Punk daran sein, im wohlsituierten Stadtteil Schwabing in der überdies kulturell saturierten Stadt München einen kleinen Raum für Kunst zu eröffnen?
Die Subkultur Punk zeichnet sich schließlich per definitionem vor allem durch eine rebellische, provozierend-nonkonformistische Haltung und Ästhetik aus. Auf den ersten Blick erscheint es jedoch wenig subversiv, in der bayerischen Landeshauptstadt einen Offspace für zeitgenössische Kunst zu gründen.
Wie so oft ist es aber der Kontext, sind es die situativen Bedingungen, die die bloße Umsetzung einer einfachen Idee bei genauerer Betrachtung in einem widerständigen Licht erscheinen lassen.
Offspace und künstlerischer Freiraum
Häufig von engagierten Kräften in Eigenregie organisiert, bezeichnet ein Offspace einen Ausstellungs- und/oder Projektraum abseits des etablierten Kunstmarkts. Er verfolgt somit auch andere Absichten als beispielsweise eine kommerziell ausgerichtete Galerie.
Ein Offspace bietet Kunstschaffenden unkompliziert Freiraum für künstlerische Experimente und Ausstellungsmacher*innen gleichsam die Möglichkeit, sich in ihrem Berufsfeld auszuprobieren. Schon diese luxuriöse Freiheit des kreativen Erprobens und Spielens – ohne den dezidierten Druck, damit einen notwendigen Zweck oder ein Ziel zu verfolgen – kommt in einer Stadt wie München, in der Freiräume knappes Gut sind, einer Auflehnung gleich. Es verwundert ferner kaum, dass es in dieser Millionenstadt vergleichsweise wenige solcher experimentellen Offspaces gibt.
So war eben jene Lust am Trotzdem auch von Anfang an eine Triebfeder für Anna Wondrak, ihres Zeichens Kunsthistorikerin und Kuratorin, und mich, Kunstpädagoge und -therapeut von Beruf. Ende 2020 haben wir dank glücklicher Fügung und nach wenigen Treffen beschlossen, gemeinsam den kleinen Offspace achtzehnkommazwei ins Leben zu rufen. Auf einer Fläche von 18,2 Quadratmetern, die dem Raum zugleich seinen Namen gegeben haben, wollten wir im Besonderen in München lebenden und arbeitenden Kulturschaffenden niedrigschwellig die Möglichkeit bieten, ihre Arbeiten zu zeigen, Projekte durchzuführen oder Ideen zu entwickeln.
„Die Kunst geht weiter …“
In großen Buchstaben klebte dieser Satzanfang daraufhin verheißungsvoll in den ersten Wochen des jungen Jahres 2021 im Schaufenster unseres Raums. Die bewusst mehrdeutig gewählte Ankündigung war für uns inspirierendes Motto und Ansporn weiterzumachen. Wir wollten damit der pandemiebedingt gelähmten Situation im kulturellen Leben der Stadt etwas entgegenhalten und neue Akzente setzen. Zugleich ging es auch um das Kunststück, unter den einschränkenden Bedingungen des dritten Lockdowns zu eröffnen.
Allen Einschränkungen und Unsicherheiten zum Trotz eröffneten wir den Raum am 18. Februar mit einer ersten Gruppenausstellung von vier Künstlerinnen. Zwar weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mit noch verschlossener Tür, doch war ein Anfang getan. Diese erste Ausstellung sollte bereits sinnbildlich für das Konzept der Ausstellungs- und Projektfläche stehen.
Mit großer Offenheit und dem Wunsch, ein möglichst vielfältiges Programm zu gestalten, wollten wir Kulturschaffende aus den unterschiedlichsten Disziplinen einladen, in dem Raum mit ihren Arbeiten im steten Dialog spannungsreiche Interventionen zu zeigen. Weniger dogmatisch denn beiläufig sollten diese künstlerischen Begegnungen auch unsere Haltung widerspiegeln: Wir nehmen den gesellschaftlichen Diskurs Inklusion und Diversität mit einer gewissen Selbstverständlichkeit an. Es war sicherlich ein professionelles und auch persönliches Wagnis für uns, ob die Idee eines solchen Raums in einer durch äußere Umstände so herausfordernden Zeit gelingen würde.
Punk und der kleine Funken Dennoch
Nach knapp einem Jahr dürfen wir dank großem Zuspruch, Unterstützung und Interesse der Öffentlichkeit behaupten, dass unser Experiment, das aus dem schlichten Impuls eines „Wir machen weiter, trotz allem!“ entstand, aufgegangen ist. Punk daran ist vielleicht dieser kleine Funken Dennoch, den wir in uns gespürt haben. So war uns durchaus bewusst, dass wir unseren Raum zu einem empfindlichen Zeitpunkt eröffnet haben, an dem das gesellschaftliche wie kulturelle Leben der Stadt heruntergefahren war.
Es war ein stiller und darum vielleicht nicht sonderlich offensiver Widerstand gegen ein beherrschendes Gefühl der Trägheit, der Ungewissheit und einer relativen Stagnation, die sich inzwischen über die Monate gelegt hatte. Insofern steckt in diesem Entgegenhalten, in diesem trotzigen Dennoch unseres Vorhabens doch ein wenig Punk, leise und bescheiden – auf 18,2 Quadratmetern.
Adresse
achtzehnkommazwei – Raum für Kunst
Georgenstraße 72 | 80799 München
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*Alle Beiträge zur Vernetzungsaktion listen wir verlinkt am Ende unserer Einladung zur Vernetzungsaktion „Autonome Räume: Warum sind sie so wichtig für unsere Stadtgesellschaft? #PopPunkPolitik – Laufzeit: 29.11. – 17.12.2021 auf. Zudem könnt ihr die Diskussion im Social Web in unserer Collection auf Wakelet verfolgen.
Die Vernetzungsaktion ist Teil von #PopPunkPolitik Vol. 2 – unserem digitalen Programm, das wir auf der Microsite zur Ausstellung in der Übersicht spiegeln. Schaut rein!