VIELE LIEBE GLUECK UND SEGENSWUENSCHE VON EINER TREUEN FREUNDIN AUS LAENGST VERGANGENER JUGENDZEIT DIE BIS GESTERN NICHT WUSSTE DASS DU NOCH SO JUNG BIST.
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia, AK D 4
Mit diesem Telegramm gratuliert Fanny Godin Feilitzsch im Jahr 1965 Annette Kolb zum Geburtstag.
Annette Kolb wird 1870 in München geboren. Musik, Literatur und Politik prägen ihr Leben. Gegen alle Widerstände, und zunächst über Eigenpublikation, etabliert sie sich als Schriftstellerin. Der von ihr so hoch geschätzte und bewunderte Adolf von Hildebrand, in dessen Villa – dem Sitz der Monacensia seit 1977 – sie oft zu Gast ist, rät ihr sogar eindringlich vom Schreiben ab. Später wird er einer ihrer zahlreichen Bewunderer und Förderer.
In Deutschland bricht der Erste Weltkrieg aus, und Annette Kolb vertritt nachdrücklich ihre politische Position in der Öffentlichkeit. 1915 hält sie eine pazifistische Rede vor der Literarischen Gesellschaft in Dresden, die Wellen schlägt. 1916 veröffentlicht sie „Briefe einer Deutsch-Französin“, in denen sie sich nachhaltig für eine Aussöhnung und Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich einsetzt. Es sind diese beiden Länder, die sie prägen und zu denen sie aufgrund ihrer Herkunft einen speziellen Zugang hat, als Tochter des Kgl. Wirkl. Rats Max Kolb und seiner französischen Ehefrau Sophie, einer bekannten Pianistin.
Sowohl für ihr Werk als auch für ihre politische Haltung wird Annette Kolb vielfach geehrt. Für ihren Debütroman „Das Exemplar“ erhält sie 1913 den Theodor-Fontane-Preis. 1931 wird ihr der Gerhart-Hauptmann-Preis verliehen.1950 erfolgt die Aufnahme in die Bayerische Akademie der Schönen Künste. 1951 erhält sie den Förderpreis Literatur der Stadt München.
Im Februar 2020 wäre sie 150 Jahre alt geworden. An welchem Tag aber?
Annette Kolb, Abwehr [Gegen Geburtstagsfeiern], Münchner Stadtbibliothek / Monacensia L 3830 DGewiss ist die katholische Sitte, den Geburtstag zu ignorieren, und dafür den Namenstag zu begehen, geschmackvoller, diskreter und auch tiefer. Fürs erste begreift der Geburtstag doch gleichzeitig den Sterbetag.
Wohinaus also mit all den Lichtern? […] Es ist mir nicht erinnerlich in der Folge mein Alter jemals richtig angegeben zu haben. Ich griff ad libitum in die Tasten, zu hoch oder zu tief, ganz einerlei, nach Laune und wie es mir gefiel. Nur stimmen durfte es nie, weder Ort, noch Tag, noch Jahr. Nur niemals die Wahrheit. Wozu? Wen geht sie etwas an?
Bezeichnenderweise verbirgt ein Tintenklecks, der wie ein Ausrufezeichen erscheint, das Geburtsjahr von Fräulein Annette Kolb, wie sie am liebsten genannt wird, auf dem Reisepass, der ihr 1917 die Flucht ins Exil nach Bern ermöglicht. Zuvor war sie vom bayerischen Kriegsministerium mit Briefsperre und Ausreiseverbot belegt worden.
Die zahlreichen Ausweisdokumente, die nur einen Bruchteil des umfangreichen Nachlasses dieser bedeutenden Persönlichkeit darstellen, den die Monacensia beherbergen darf, wollen sich auch nicht so recht auf einen Tag einigen – Da ist einmal der 3. Februar zu lesen, dann wieder der 2. Das Kreuz auf dem Bogenhausener Friedhof jedenfalls trägt die Inschrift 02.02.1870 bis 03.12.1967.
Autorin: Dr. Katja Jakob, Literaturarchiv