Was bleibt von den Idealen von „Züri brännt“ und der Bewegig der 1980er Jahren bis heute? Welche Verbindungen gibt es zur einstigen Häuserkampf-Szene in Zürich zu alternativen Wohnformen für München? Markus Sowa von der Kooperative Großstadt eG blickt zurück und ordnet für die Vernetzungsaktion „Autonome Räume“ ein.
„Züri brännt“ und „Bewegig“: Häuserkampf-Szene und alternative Wohnformen
Der Opernhaus-Krawall am 30. Mai 1980 und die folgende Auseinandersetzung um das Autonome Jugendzentrum (AJZ) führten in Zürich zu einer Welle der Jugend-Protestkultur in der ersten Hälfte der 1980er Jahre. Dabei gehörte das Fehlen von selbstverwalteten und gemeinschaftlich genutzten Kultur- und Wohnräumen von Anfang an zu den Kritikpunkten der Bewegig.
Daraus entwickelte sich in der Stadt eine aktive Häuserkampf-Szene. Ihr gelang 1985 die viel beachtete Besetzung des Stauffacher durch ca. 100 Aktivist*innen. Ein Teil der Besetzer*innen befasste sich intensiv mit alternativen Wohnformen. Diese beruhten auf Gemeinschaftsidealen, Selbstorganisation und Selbstversorgung. Nach der Räumung der besetzten Häuser entstand so die Idee des Karthago am Stauffacher, eines Groß-Haushalts als Gegenentwurf zum bürgerlichen Leben in Kleinfamilien. Impulse dazu entstammten unter anderem der anarchistischen und antikapitalistischen sozialen Utopie „bolo’bolo“, die der Schriftsteller Hans Widmer alias p.m. zwei Jahre zuvor herausgegeben hatte.
p.m. war selbst auch an der Stauffacher-Besetzung beteiligt, ebenso wie der junge Architekt Andreas Hofer. Im Gegensatz zur Häuserkampf-Szene, der es in erster Linie um den politischen Widerstand ging, lag ihr Interesse in der Suche nach dauerhaften, alternativen Wohnmodellen.
Gemeinsam mit dem Künstler Martin Blum initiierten sie Mitte der 1990er Jahre die Genossenschaft Kraftwerk1. Diese stellte 2001 das Projekt Hardturm fertig, ein Wohnhaus für ca. 260 Menschen mitten in einem Industrie-Areal. Charakteristisch waren:
- ein breiter Mix von Wohnungstypen, die sich zu größeren Einheiten koppeln ließen
- Erschließungshallen als Treffpunkte,
- niedrige Parkplatzzahl,
- nachhaltige Bauweise,
- reduzierter Ausbaustandard.
Kraftwerk1 leistete damit Pionierarbeit, der eine Phase des innovativen Wohnungsbaus in der Stadt Zürich folgte. Diese betrieben wesentlich Genossenschaftsprojekte: Kalkbreite, mehr als wohnen, Zwicky-Süd und zuletzt Zollhaus.
Kooperative Großstadt eG und Wohnungsbau
Viele Gründungsmitglieder der Kooperative Großstadt eG (KOOGRO) studierten zu Beginn der 2000er Architektur in München oder direkt in Zürich. Beim Thema Wohnungsbau ging unser Blick auch immer in Richtung dieser Zürcher Szene.
Und so war Andreas Hofer im Januar 2016 zu Gast in München, als die KOOGRO kurz nach ihrer Gründung zum Symposium Open Table – Thesen für einen besseren Wohnungs- und Städtebau in München (und anderswo) in die Kunsthalle Lothringer13 einlud.
Obwohl wir Gründungsmitglieder der KOOGRO keine direkte Verbindung zur Bewegig und „Züri brännt“ hatten (dazu sind wir einfach zu jung, auch wurde kaum einer von uns in einem vergleichbaren städtischen Milieu sozialisiert), so gibt es dennoch diese Bezüge. Und wenn wir als KOOGRO heute über unsere Ideale diskutieren, geht es auch immer noch um Forderungen, die schon in den 1980er Jahren in Zürich proklamiert wurden:
- neue Formen des Zusammenlebens,
- kollektiver Wohnraum,
- ressourcenschonende und solidarische Lebensweise.
Dabei fehlt uns sicherlich das Ausmaß an Widerspenstigkeit der damaligen Bewegung – aber Andreas Hofer agiert als Direktor der Internationalen Bauausstellung in Stuttgart (IBA’27) zwischenzeitlich auch innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen …
Kooperative Großstadt eG
Die Vernetzungsaktion ist Teil von #PopPunkPolitik Vol. 2 – unserem digitalen Programm, das wir auf der Microsite zur Ausstellung in der Übersicht spiegeln. Schaut rein!