Was kostet die Stadt? Was kostet das Land? Und zwar nicht nur finanziell, sondern auch sozial, kulturell und psychisch. Gerade im Kontext der Corona-Pandemie rückt die Debatte um Stadt und Land wieder neu in den Fokus. Eng damit verknüpft ist stets die Frage nach den Kosten und Verdienstmöglichkeiten im jeweiligen Lebensraum. Gemeinsam mit internationalen Künstler*innen und Schriftsteller‘*innen fragen wir im zweiten Teil von #MYNCHEN daher: Stadt oder Land? Und: Kann man sich die Wahl überhaupt leisten?
#MYNCHEN: Stadt vs. Land – Wo gelingt Kultur besser?
Wie haben sich die fast schon zu Stereotypen gewordenen Vorzüge von Stadt und Land in Zeiten der Pandemie verschoben? Wie funktionieren öffentliche Räume, sei es in der Natur oder in der Stadt, wenn wir sie auf einmal mit mehr Menschen als gewohnt teilen müssen?
Gelingt Kultur in der Stadt generell besser und das obwohl bezahlbare Freiräume für Ateliers und Kreativflächen hier Mangelware sind? Finden Kreative und Kulturschaffende im urbanen Raum leichter Anschluss- und Austauschmöglichkeiten als auf dem Land? Welche Strukturen begünstigen Nachbarschaftshilfe, Austausch und Miteinander und welche verhindern sie? Was macht den idealen Lebens- und Arbeitsraum aus und kann es diesen überhaupt geben?
Um aus möglichst vielstimmigen Perspektiven auf diese Fragen zu blicken, haben wir heimische und internationale Künstler*innen dazu eingeladen, sich literarisch und künstlerisch mit dem Thema Stadt – Land – Geld auseinander zu setzen. Die daraus entstehenden Impulstexte internationaler Kulturschaffender veröffentlichen wir hier im Blog.
Wie blicken Kunst und Literatur auf die Stadt respektive das Land? Es denken und schreiben zum Thema Stadt-Land-Geld:
Radmila Petrović: Lyrik über Stadt – Land – Geld
Radmila Petrović (*1996 in Užice, Serbien) wuchs in Stupčevići, einem Dorf, in der Nähe der serbischen Stadt Arilje auf und studierte Wirtschaftswissenschaften in Belgrad. 2014 veröffentlichte sie die Gedichtsammlung „Miris zemlje“ (Deutsch:„Geruch der Erde“), 2015 den Band „Celulozni rokenrol“ (Deutsch: „Zellstoff Rock and Roll“). Petrovićs Texte wurden in serbischen Anthologien und internationalen Online-Magazinen veröffentlicht. Sie nahm an zahlreichen Lesungen in Belgrad teil, besuchte mehrere Literaturwerkstätten und erhielt diverse Preise. Ihre dritte Gedichtsammlung “Moja mama zna šta se dešava u gradovima” (Deutsch „Meine Mutter weiß, was in den Städten passiert“) kam im Sommer 2020 bei PPM Enklava heraus. Petrović gehört aktuell zu den gefragtesten serbischen Nachwuchs-Lyriker*innen, ihre Gedichte werden ins Englische, Französische, Griechische, Mazedonische und Hebräische übersetzt.
Für MYNCHEN verfasste Radmila Petrović exklusiv Gedichte zum Thema Stadt-Land-Geld, die der Münchner Autor Denijen Pauljević ins Deutsche übersetzte.
Sandra Hoffmann: Natur ja, Landleben nein
Sandra Hoffmann (*1967 in Laupheim, Baden-Württemberg) schreibt für DIE ZEIT, den Bayerischen Rundfunk und den Südwestrundfunk. Sie hat bisher sechs Romane veröffentlicht. Neben zahlreichen Preisen und Stipendien wurde sie für ihren Roman „Paula“ mit einem Arbeitsstipendium des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, einem Jahresstipendium des Deutschen Literaturfonds und dem Hans-Fallada-Preis ausgezeichnet. Für ihr aktuelles Romanprojekt „Tage im Wald“ erhielt sie 2020 ein Arbeitsstipendium der Landeshauptstadt München. Sie leitet Schreibseminare am Literaturhaus München und unterrichtet u.a. an den Universitäten Karlsruhe und Augsburg, sowie für Goethe-Institute im Ausland.
Sandra Hoffmann lebt abwechselnd in der Stadt München und auf dem Land, in einem kleinen Holzhaus am Rand des Bayerischen Walds. Obwohl sie die Natur liebt, würde sie jedoch niemals ganz aufs Land ziehen. Warum, darüber schrieb sie exklusiv in ihrem Beitrag für MYNCHEN.
Arian Leka: Tirana – Stadt der Gegensätze
Arian Leka (*1966 in Durrës, Albanien) schreibt Lyrik, Prosa, Essays und Literaturkritiken und hat bereits mehrere Lyrikbände, Erzählungen und einen Roman veröffentlicht. In seiner Heimatstadt Durrës in Albanien begründete er das Lyrikfestival Poeteka. Daraus ging die gleichnamige Literaturzeitschrift hervor, deren Chefredakteur und Herausgeber er ist. Seine literarischen Werke wurden mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet und ins Deutsche, Englische, Französische, Serbo-Kroatische, Rumänische, Mazedonische und Bulgarische übersetzt. Aktuell arbeitet Arian Leka als Dozent für Literaturwissenschaft und Wissenschaftler an der Akademie für albanische Studien in Tirana.
Bisher sind in deutscher Sprache von Arian Leka erhätlich:
- „Quadrat im Schachfeld. Illyrer, Myrmidonen, Aromunen und Zigeuner – Balkanische Erinnerungen“ (in: Lettre International, LI98, Herbst 2012),
- „Durrës, Geoemotionen. Von der Multikultur der Autarkie zur Monokultur der offenen Stadt“ (in: Lettre International, LI100, Frühjahr 2013)
- sowie der Lyrikband „Ein Buch, ein Meer. Gedichte“ (Edition Thanhäuser, 2017).
Im Rahmen von MYNCHEN schrieb Arian Leka über die albanische Stadt Tirana, sein Verhältnis zu Geld und seine Rolle als Künstler im „Markt“. Der Text wurde von Marion Hertle aus dem Englischen ins Deutsche übertragen.
Selva Almada: Armut auf dem Land in Argentinien
Selva Almada (*1973 in Villa Elisa, Argentinien) gilt als eine der kraftvollsten Stimmen der lateinamerikanischen Gegenwartsliteratur. Sie wuchs in einer Kleinstadt in der Provinz Entre Ríos im Norden Argentiniens auf, lebte zwischenzeitlich in Buenos Aires und zog vor kurzem wieder aufs Land. Eines ihrer großen Themen ist Gewalt auf dem Land, speziell gegen Frauen.
Almada schreibt Lyrik, Erzählungen und Romane. 2007 erschien ihr Erzählband mit dem programmatischen Titel „Una chica de provincia“. Mit ihrer dokumentarischen Reportage „Chicas muertas“ (2014) über Frauenmorde in Argentinien war sie Finalistin des Rodolfo Walsh Award und mit ihrem Roman „Ladrilleros“ beim Tigre Juan Award. Aktuell steht ihr neuester Roman „No es un río” auf der Longlist zum Premio Vargas Llosa, einem der höchstdotierten Preise für spanischsprachige Literatur. Ihre Bücher sind in viele Sprachen übersetzt. Auf Deutsch sind von Selva Almada erschienen:
- „Sengender Wind”, Roman, Berenberg Verlag, Übersetzung von Christian Hansen
- „Der Affe im Strudel“, ein literarisches Tagebuch zu den Dreharbeiten für Lucrecia Martels Film Zama, Übersetzung von Silke Kleemann (in: Lettre International 125, Sommer 2019).
In ihrem Beitrag zu MYNCHEN erzählt Selva Almada von ihren Großeltern, die alle auf dem Land gelebt haben und setzt deren ärmliche Lebensverhältnisse in Kontrast zum eigenen Leben. Hierbei schlägt die Autorin den Bogen dazu, wie in Argentinien – und insbesondere im Norden Argentiniens – „Land” auch heute noch mit Armut verbunden ist.
Mensur Demir: Zeichnungen zu Stadt – Land – Geld
Mensur Demir, (*1980 in Doboj, Bosnien) flüchtete 1993 vor dem den bosnischen Krieg und verbrachte die folgenden fünf Jahre in München. Während seiner Zeit als Flüchtling begann er zu malen und auch auszustellen. Nach der Rückkehr nach Bosnien, studierte er Architektur. Später arbeitete er als Assistent an der Architekturfakultät der Universität von Sarajevo und war als angestellter und selbständiger Architekt in Sarajevo tätig. Als Lehrbeauftragter unterrichtete er Freihändiges Zeichnen, Darstellende Geometrie und Grundlagen des Entwerfens. Zu seinen selbständigen Architekturprojekten gehört u.a. das Museum der Kriegskindheit in Sarajevo, ausgezeichnet mit dem Museumspreis des Europarates 2018. Für das kroatische Fachmagazin Oris schreibt er über Architektur.
Daneben malt und illustriert Demir. 2014 war er im Rahmen des Šta ima!? Festival in München Teil einer literarisch-zeichnerischer Performance mit dem bosnischen Schriftsteller Dževad Karahasan. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der Architekt und Künstler wieder in München.
Für MYNCHEN entstanden exklusive Zeichnungen von Mensur Demir, in denen er sich mit dem Thema Stadt-Land-Geld auseinandersetzt.
MYNCHEN: Diskussions-Reihe zur Stadt aus Sicht von Kunst und Literatur
Großstädte sind der Lebensraum der Zukunft. Und das, trotz verschmutzter Luft, knappem Wohnraum, Stress, Konfliktpotenzial und hoher Lebenshaltungskosten. Was also macht die Stadt so lebenswert? Der urbane Raum ist weit mehr als ein geografischer Ort. Er ist Reibungsfläche, Baustelle, kulturelles Gedächtnis und kreatives Labor. Städte sind geprägt durch Differenzen und Gegensätze, verschiedene Einkommensschichten, Kulturen und Identitäten.
- Wie blicken Kunst und Literatur auf die Stadt?
- Welchen Beitrag können sie zur Gestaltung des Zusammenlebens leisten?
Diesen Fragen widmet sich die Monacensia gemeinsam mit dem Münchner Autor*innenkollektiv Meet Your Neighbours (MYN) in einer neuen Diskussions-Reihe zu MYNCHEN. Aus vielstimmigen Perspektiven schauen wir auf stadt- und gesellschaftspolitische Themen.
Vorausgegangene Diskussionen zu MYNCHEN:
- Stadt der Zukunft – Urbane Räume im Blick von Kunst und Literatur | #Mynchen 1 mit einem literarischen Auftakt von Denijen Pauljević (19.8.2020)
- Wir in der Zukunft – Visionen für die Gesellschaft nach Corona | #WirinderZukunft mit vier Tandems (15.6.2020)
Die Beiträge zu Stadt – Land – Geld listen wir hier unter dem Artikel auf. Wir versprechen Euch spannende neue Impulse und Perspektivwechsel!
Bisher erschienen:
- Gedichte von Radmila Petrović: Serbien – Land der Gegensätze | #MYNCHEN – 2
- Pesme Radmile Petrovic: Srbija – zemlja kontrasta | #MYNCHEN – 2
- Mit Sandra Hoffmann zwischen Stadt und Land | #MYNCHEN – 2
- Selva Almada: Land und Armut in Argentinien | #MYNCHEN – 2
- Selva Almada: campo y pobreza en Argentina | #MYNCHEN – 2
- Mensur Demir: Stadt-Land-Geld im Blick von Architektur und Kunst | #MYNCHEN – 2
- Arian Leka: Der Pazari i Ri Markt in Tirana | #MYNCHEN – 2
- Arian Leka: The Pazari i Ri market in Tirana | #MYNCHEN – 2
Ein Projekt im Rahmen des 360°-Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft.