Wie kamen künstlerische Karrieren im Nationalsozialismus zustande? Welche Voraussetzungen, Räume, Netzwerke und mediale Sprachrohre spielten eine Rolle? Ein Beitrag von Sabine Brantl zur Dauerausstellung „Maria Theresia 23. Biografie einer Münchner Villa“.
Von Hermann Gradl, einem der erfolgreichsten Künstler im NS-Staat, stammt die Aussage, dass seine Werke immer von jenen gekauft wurden, die „gerade wirtschaftlich am stärksten“ waren:
Bis 1937 kauften meine Bilder reiche Kaufleute, Industrielle und hohe Beamte, von 1937–1945 waren die Käufer meiner Bilder in der Hauptsache die inzwischen reich gewordenen Nationalsozialisten und jetzt kaufen wieder wohlhabende Kaufleute, Industrielle, hohe Beamte und amerikanische Offiziere meine deutschen Landschaften …1
Diese Äußerung, verfasst im Januar 1946 anlässlich des anstehenden Entnazifizierungsprozesses, offenbart nicht nur Leugnung und Verdrängung, Opportunismus und mangelndes politisches Verantwortungsgefühl. Sie verdeutlicht auch exemplarisch, wie Karrieren im NS-Kunstbetrieb seit der Nachkriegszeit heruntergespielt wurden.
Doch wie kamen künstlerische Karrieren im Nationalsozialismus überhaupt zustande? Welche Strategien, Talente oder äußeren Umstände trugen dazu bei, dass Künstler*innen in dieser Zeit Erfolg hatten? Im folgenden Beitrag wird diese Frage näher beleuchtet, um einen Überblick über die wesentlichen Aspekte zu geben.
Voraussetzungen für Karrieren im Nationalsozialismus
Auch die nationalsozialistische Kunst- und Kulturpolitik basierte auf Konstruktionen von Ausschluss und Zugehörigkeit, von Feind- und Leitbildern. Schon im September 1933 wurde der entscheidende Schritt zur Erfassung und Kontrolle des Kulturlebens in Deutschland getan. Durch das Reichskulturkammergesetz wurden alle im Kulturbetrieb tätigen Personen in einer zentralen Organisation zusammengefasst, wobei sie sich einer Unterkammer wie der Reichskammer der bildenden Künste anschließen mussten. Paragraph 10 sah vor, Künstler*innen, denen die „erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung“ abgesprochen wurde, die Aufnahme zu verweigern oder auszuschließen, besonders wenn sie einen jüdischen oder kommunistischen Hintergrund hatten.2
War es anfangs für jüdische Künstler*innen noch möglich, mittels bestehender Organisationen und Verbänden der Reichskulturkammer anzugehören, so wurden nach deren Auflösung Einzelpersonen die Aufnahme rigoros verweigert.3 Die Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste kam einer Zwangsmaßnahme gleich, um einen künstlerischen Beruf ausüben zu können und staatliche Förderungen, öffentliche Aufträge, Ämter und Ausstellungsmöglichkeiten zu erhalten. Diese bedeuteten nicht nur die Möglichkeit, die wirtschaftliche Existenz zu sichern, sie boten auch berufliche Aufstiegschancen.
Räume – die „Großen Deutschen Kunstausstellungen“
Am 18. Juli 1937 wurde mit der ersten „Großen Deutschen Kunstausstellung“ im neu errichteten Haus der Deutschen Kunst an der Münchner Prinzregentenstraße die wichtigste Werk- und Verkaufsschau des nationalsozialistischen Kunstbetriebs eröffnet. Die bis 1944 jährlich abgehaltenen Ausstellungen galten als richtungsweisend für die Kunstlandschaft in Deutschland. Bei der Einweihung des Hauses der Deutschen Kunst verkündete Hitler, dass der „Maßstab“ jeglicher künstlerischer Leistung im „deutschen Volke, in seinem Wesen und Leben“, d. h. in der „arischen Rasse“ liege.4 Damit wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass die NS-Kunst- und Kulturpolitik wesentlich auf Rassenpolitik und Antisemitismus basierte und nicht allein ein Machtapparat zur Ausschaltung einer unerwünschten Moderne war.5
Die „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ waren organisatorisch betrachtet Verkaufsausstellungen, wie sie seit dem 19. Jahrhundert üblich waren. Im Gegensatz zu diesen waren sie jedoch nicht regional und autonom, sondern wurden zentral organisiert. Während bei den früheren Verkaufsschauen lokale Künstler*innenverbände oder Kunstvereine zuständig waren. Anfangs entschied eine Künstlerjury über die ausgestellten Werke der ersten „Großen Deutschen Kunstausstellungen“. Da Hitler mit den ursprünglich für die Ausstellung vorgesehenen Exponaten in hohem Maße unzufrieden war, setzte er bereits im Juni 1937 seinen Leibfotografen Heinrich Hoffmann sowie Karl Kolb, den Direktor des Hauses der Deutschen Kunst, und die Architektenwitwe Gerdy Troost für die Auswahl der eingesandten Werke ein. Entscheidend blieb jedoch Hitlers Stimme.
Über 9000 Maler*innen, Bildhauer*innen und Grafiker*innen reichten zum Teil auch mehrmals Arbeiten zu den insgesamt acht Schauen ein. Von ihnen stellten an die 2500 Künstler*innen auf den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ aus. Wer karrieristische Ambitionen hegte, setzte viel daran, auf den Schauen vertreten zu sein. Regelmäßige Teilnahme und prominente Käufer*innen versprachen nicht nur exzellente Honorare und weitere Ausstellungsmöglichkeiten, sondern stellten zudem materielle Gunstbeweise seitens des „Führers“ in Aussicht. Den Maler Sepp Hilz beispielsweise, Schöpfer draller Dorfschönheiten und kerniger Bauernburschen, belohnte Hitler anlässlich der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ 1939 mit 100.000 Reichsmark für den Bau eines Atelierhauses im oberbayerischen Leitzachtal.6 Und auch der Weg zum Professorentitel führte oftmals über das Haus der Deutschen Kunst. So erging im November 1938 eine Weisung an die Münchner Kunstakademie, hinsichtlich ihrer Berufungen vor allem die Künstler*innen vorzuschlagen, „die im Haus der Deutschen Kunst stark vertreten sind und deren Werke der Führer angekauft hat“.7
Netzwerke bestimmen über künstlerischen Erfolg
Im mächtigen Geflecht des NS-Kunstbetriebes wurden Künstler*innen gezielt gefördert und weiterempfohlen. Die Mitgliedschaft in der NSDAP spielte zunächst eine untergeordnete Rolle und gewann erst bei höheren Ämtern an Relevanz. Die richtige Verbindung zu bereits etablierten Akteur*innen und Funktionär*innen des Regimes konnte Türen öffnen, die anderen verschlossen blieben, und so die entscheidende Anerkennung verschaffen. Diese Netzwerke bestimmten maßgeblich, wer im Kunstbetrieb Erfolg hatte – und wer nicht. So kam der erste persönliche Kontakt zwischen Hitler und Hermann Gradl 1937 durch den Architekten Franz Ruff zustande, der zu diesem Zeitpunkt mit der Bauleitung für die Kongresshalle auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände betraut worden war.
Der Bildhauer Josef Thorak, einer der prominentesten Künstler des NS-Staates, erregte 1934 durch eine Büste von Hitlers Vertrauten Ernst „Putzi“ Hanfstaengl erstmals das Interesse der politischen Kreise. Drei Jahre später setzte der bayerische Gauleiter und Kultusminister Adolf Wagner seine Berufung an die Münchner Akademie der Bildenden Künste durch8, während Gradls weiterer Aufstieg zum Direktor der Nürnberger Akademie9 aus der Gunst Adolf Hitlers und dem Netzwerk der „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ erfolgte. Der Kunstgeschmack des „Führers“ und dessen Gefolgschaft wurde zum Maßstab für personalpolitische Entscheidungen.
Sprachrohre der nationalsozialistischen Kunstpolitik
Auch wenn Netzwerke gut funktionierten und Fürsprecher*innen wohlwollend unterstützten, waren die ästhetischen und ideologischen Anforderungen des NS-Staates zu erfüllen und einzuhalten. Zeitschriften wie „Die Kunst im Dritten Reich“ oder das regionale „Münchener Mosaik“ dienten als zentrale Sprachrohre der nationalsozialistischen Kunstpolitik und spielten eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung der künstlerischen Leitlinien und Botschaften des Regimes. Sie trugen maßgeblich dazu bei, die ideologischen Vorgaben und ästhetischen Vorstellungen der NS-Kunst zu propagieren. Künstler*innen, die diese erfolgreich umsetzten, verschafften sie öffentliche Bekanntheit. Kunst und Künstler*innen hatten sich in den Dienst des NS-Staates zu stellen und sich mit ihm widerspruchslos und visionär zu verbinden. So schrieb der Kunsthistoriker Werner Rittich 1939 in der „Kunst im Dritten Reich“:
Es ist unsere Hoffnung und unser Glauben, dass die Künstler unserer Zeit zu Leistungen kommen, die sich den historischen Großtaten auf politischem und sozialem Gebiet unserer Zeit würdig zur Seite stellen; dass sie als Ganzes einen Stil finden, der unserem heutigen Lebensgefühl entspricht, der es später einmal berechtigt erscheinen lässt, die politischen, sozialen und kulturellen Leistungen unserer Zeit als eine Einheit zu betrachten.10
Wiederholt für vorbildliche Arbeiten gelobt wurde auch der Bildhauer Ernst Andreas Rauch, der 1938 das Große Atelier im Erdgeschoss des Hildebrandhauses bezogen hatte. Ein 1939 erschienener ausführlicher Artikel der Zeitschrift „Kunst im Dritten Reich“ etwa präsentierte die „Münchener Plastik“ und hob dabei seinen „Mädchenkopf“ hervor, zusammen mit Werken von Künstler*innen wie Hans Wimmer, Fritz Koelle, Ludmilla Pongratz und Elmar Dietz.11
1941 veröffentlichte das „Münchener Mosaik“ einen Bericht über die „Große Deutsche Kunstausstellung“ im zweiten Kriegsjahr. Dabei dominierte eine Abbildung von Rauchs Adlerplastik nicht nur die Titelseite: Sie verlieh dem ideologisch ausgerichteten Titel „Im Schutz des Adlers“ auch eine markante bildliche Präsenz.12 Im selben Jahr erhielt Ernst Andreas Rauch einen Ruf an die Nürnberger Akademie.
Ernst Andreas Rauchs Karriere ist ein Beispiel für Künstler*innen, deren Erfolge stark von der ideologischen Linie des Regimes geprägt waren. Die enge Verflechtung von Kunst und Politik wirft bis heute vielschichtige Fragen zur Verantwortung und Rolle von Künstler*innen in totalitären Systemen auf.
- Staatsarchiv Nürnberg, G 240 (Spruchkammerakte Hermann Gradl), Prof. Hermann Gradl an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 1. August 1946 (Bemerkungen für die Spruchkammer). Zu Hermann Gradl vgl. Sabine Brantl, Hermann Gradl und die „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ 1937–1944. Eine Erfolgsgeschichte, in: Akademie der Bildenden Künste Nürnberg (Hg.), Geartete Kunst. Die Nürnberger Akademie im Nationalsozialismus, Nürnberg 2012, S. 100–114. ↩︎
- Vgl. Kunst im 3. Reich. Dokumente der Unterwerfung. Frankfurt 1974, S. 19. ↩︎
- Bernhard Müller, Alltag im Zivilisationsbruch. Das Ausnahme-Unrecht gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland 1933–1945, München 2003, S. 176. ↩︎
- Zitiert nach: Sabine Brantl, Haus der Kunst 1937–1997. Eine historische Dokumentation, München 1997, S. 78. Zur Geschichte und Funktion des Hauses der Deutschen Kunst und der „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ vgl. Sabine Brantl, Haus der Kunst, München. Ein Ort und seine Geschichte im Nationalsozialismus, München 2015². ↩︎
- Am Tag nach der Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst wurde im Galeriegebäude am Münchner Hofgarten die Ausstellung „Entartete Kunst“ eröffnet, in der rund 600 aus öffentlichen Sammlungen beschlagnahmte Werke der Moderne in herabwürdigender Aufmachung vorgeführt wurden. Während die Schau in Deutschland und Österreich gastierte, wurden rund 16.000 Werke aus deutschen Museen und Sammlungen beschlagnahmt und größtenteils als Devisenbringer oder Tauschobjekte veräußert. ↩︎
- Vgl. Otto Thomae, Die Propaganda-Maschinerie, a. a. O., S. 440. ↩︎
- Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Münchner Akademie der bildenden Künste, 10. November 1938. Bayerisches Hauptstaatsarchiv MK 40917. ↩︎
- Vgl. Johannes Hofinger, Josef Thorak, in: Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus. Biografische Recherchen zu NS-belasteten Straßennamen der Stadt Salzburg. URL: www.stadt-salzburg.at/ns-projekt/ns-strassennamen/josef-thorak. Version 2–6. 12. 2020. ↩︎
- Am 1. Oktober 1939 wurde Hermann Gradl zum Direktor berufen. Knapp sechs Monate später wurde unter seiner Leitung die Staatsschule zur Akademie der Bildenden Künste erhoben. ↩︎
- Werner Rittich, Deutsche Bildhauer unserer Zeit. Zu den Plastiken der „Großen Deutschen Kunstausstellung 1939“, in: Die Kunst im Dritten Reich, 3. Jahrgang, Folge 8 / August 1939, S. 260. ↩︎
- Alexander Heilmeyer, Münchener Plastik, in: Die Kunst im Dritten Reich, 3. Jahrgang, Folge 7 / Juli 1939, S. 204–213. ↩︎
- Peter Trumm: Im Schutz des Adlers. Die Große Deutsche Kunstausstellung 1940 im Haus der Deutschen Kunst, in: Münchener Mosaik, 3. Jahrgang, August 1940, S. 205. ↩︎