Was beschäftigt uns im Analog-Digitalen in Corona-Zeiten?

In der Münchner Kultur und damit auch bei uns in der Monacensia bewegt sich gerade ziemlich viel. Wie gehen wir damit um? Was ist anders? Ganz banal: Was machen wir gerade? Und warum? Unser Beitrag zu #KulturSlamMuc der Münchner Stadtbibliothek.

Stadtkultur im Shutdown: die Monacensia im Hildebrandhaus

Geschlossen und doch offen: Analog-Digital wachsen zusammen – #closedbutopen

Seit dem 14. März 2020 ist die Monacensia im Hildebrandhaus wie alle städtischen Kultureinrichtungen geschlossen. Dies gilt für das Literaturarchiv und die Bibliothek ebenso wie für die Ausstellungen und das Café Mon. Gerade jetzt ist die digitale Kulturvermittlung für uns wichtiger denn je. Deshalb nutzen wir die Stunde und probieren viel aus. Ob grafischer Rundgang durch die Erika Mann-Ausstellung, digitalisierte Nachlässe auf www.monacensia-digital.de oder vielseitige Blogbeiträge im Rahmen der Vernetzungsaktion #ErikaMann – wir bleiben mit unserem Publikum und unseren Kolleg*innen aus anderen Kulturinstitutionen in Kontakt.

Der digitale Raum erweitert die Gestaltungsmöglichkeiten für kulturelle Vermittlung. Dadurch begeben wir uns auch in einen dynamischen, wechselseitigen und offenen Prozess, der uns nochmals mehr fordert, grundsätzlich über unser Publikum nachzudenken: Wen wollen wir wie und warum erreichen? Wo ist unsere Schwelle noch zu hoch? Wo grenzen wir Gruppen aus? Wie schaffen wir ein sinnvolles und sozusagen „natürliches“ Zusammenspiel von digitalen und analogen Vermittlungsformaten? Wie können wir beispielsweise auch umgekehrt Ergebnisse digitaler Formate analog und vor Ort zugänglich machen? Diese Fragen werden uns auch in Zukunft begleiten, schließlich geht es um unser aller kulturelles Erbe.  Und dazu brauchen wir definitiv politische Unterstützung, so Anke Buettner in: „Wie demokratisch ist die digitale Kulturvermittlung?“

Geschlossen und doch offen oder #closedbutopen – den Hashtag nutzen aktuell Kulturhäuser, um in Kontakt mit den Besucher*innen zu bleiben. In der Monacensia wachsen in der Kulturvermittlung Analog-Digital immer weiter zusammen. Dafür schaffen wir Strukturen. Aber lesen Sie selbst, was unsere Mitarbeiter*innen aktuell beschäftigt.

Über unser digitales Programm und unsere Projekte informieren wir Sie übrigens gerne regelmäßig in unserem Newsletter.


Materialien aus dem Nachlass Barbara Bronnen, Foto: Katja Jakob

Katja Jakob, Bibliothekarin im Literaturarchiv

Zu tun gibt es bei uns, wie immer, genug. Denn wenn alles Vertragliche geregelt und ein neuer Vor- oder Nachlass im Haus ist, geht es für uns erst richtig los. Dann heißt es sichten, sortieren, katalogisieren – damit unsere Kund*innen das Material auch einsehen können. Unter anderem erschließen wir gerade einen Neuzugang, nämlich den Nachlass von Barbara Bronnen. Und um die Bestände, sind sie einmal im Haus, gilt es sich auch zu kümmern: Restaurierung, gerade von älterem und/oder oft vorgelegtem Material, ist da ein wichtiges Thema. Und Digitalisierung natürlich. Ansonsten: Blogartikel schreiben, wie zuletzt „Recht frohe Ostern! Barbara“, Umräumen im Magazin, Planung, Projekte… – Eigentlich wie immer. Aber nichts ist wie immer, wenn man mit der Staubschutzmaske auf die Straße gehen kann ohne aufzufallen. Und wenn keine KundInnen kommen. Aber das wird wieder anders. Hoffentlich bald. Und darum arbeiten wir besonders auf Hochtouren.


Digitalisierung des Fotonachlass Hermann Kesten, Foto: Stephan Anders

Stephan Anders, Mitarbeiter im Literaturarchiv / Digitalisierung

Im Moment arbeite ich mich durch den Fotonachlass von Hermann Kesten, um diesen Stück für Stück zu digitalisieren. Da dieser Bestand sehr umfangreich ist, genieße ich gerade die ruhige Zeit, in der ich mich voll und ganz auf dieses Projekt konzentrieren kann. Nebenbei erledige ich noch weitere Aufgaben, die sich gerade ohne Zeitdruck erledigen lassen, wie zum Beispiel das Kopieren von archiveigenen Audio CDs.

Bei technischen Problemen helfe ich allen Kolleginnen und Kollegen auch gerne weiter. Manchmal kann ich recht schnell kleine Fehler bei PC und Software Problemen lösen, ohne dass dafür unsere derzeit ohnehin beanspruchte EDV-Hotline in Anspruch genommen werden muss, was hin und wieder einiges an Zeit sparen kann.


Die Altpapier-Tonne von Christine Hannig füllt sich Zusehens, Foto: Christine Hannig

Christine Hannig, Bibliothekarin in der Monacensia Bibliothek

Genau vor einem Jahr war ich, wie jetzt, längere Zeit zu Hause, aber nicht im Homeoffice, sondern im Krankenstand. Eine Eisplatte hatte mich und meine linke Schulter außer Gefecht gesetzt.

Aus dieser Zeit gibt es noch einige liegengebliebene Arbeiten in der Bibliothek – zum Beispiel mehrere Stapel alte Tageszeitungen, die auf Sichtung und Auswertung warten. Die Suche richtet sich dabei auf Artikel über Münchner Autor*innen, neue Bücher über München und Berichte über Münchner Institutionen wie z. B. die Münchner Stadtbibliothek, das Stadtarchiv, das Stadtmuseum. Fürs Homeoffice ist das eine ideale Beschäftigung, denn im normalen Arbeitsalltag hätte ich dafür nie genügend Zeit gefunden. Normalerweise ist nichts langweiliger als die Zeitung von gestern, aber ich genieße die Berichte über vergangene Zeiten, als die Welt ohne Corona noch in Ordnung war.


Anke Weinmann, Bibliothekarin im Literaturarchiv


Waldemar Bonsels im „Homeoffice“ 1948, Foto: Ernst Baumann / Waldemar-Bonsels-Stiftung München

Christina Lemmen, wissenschaftliche Mitarbeiterin Digitalisierungsprojekt Waldemar Bonsels

Den allmorgendlichen Kaffee, mit dem ich mich dann zum Arbeiten an den Schreibtisch setzte, koche ich in den vergangenen drei Wochen normalerweise in meiner eigenen Küche. Denn auch für mich heißt es an den meisten Tagen: Homeoffice. Hier überlege ich mir, welche Briefe von Waldemar Bonsels als nächstes online gestellt werden sollen, versuche den Biografien verschiedenster Leute auf die Spur zu kommen und schreibe Texte für www.monacensia-digital.de.

Zum Glück kann ich auch von zu Hause auf die Datenbank zugreifen. Auch wenn die persönlichen Kontakte natürlich fehlen, zeigt sich doch gerade jetzt der Vorteil von Digitalisierungsprojekten: Unabhängig von Ort und Zeit, kann man sich online das Material anschauen, weltweit in Portalen recherchieren und sich mit anderen vernetzen.

Wenn ich sehe, was allein in den vergangene beiden Wochen für tolle Projekte und Ideen ins Leben gerufen wurden, um anderen zu helfen, mit Kunst, Kultur und Musik zu versorgen und soziale Kontakte zu halten und auszubauen, bin ich zuversichtlich, dass wir als Gemeinschaft kreativ genug sind, auch diese schwierige Zeit und was danach kommt gut zu meistern.


Im Austausch mit Münchner Autor*innen, von oben links nach unten rechts: Jan Geiger, Tristan Marquardt, Lisa-Katharina Förster, Katharina Adler, Lilian Robl

Lisa-Katharina Förster, Programm- und Öffentlichkeitsarbeit

Wie geht Programm ohne Veranstaltungsort, Künstler*innen und Live-Publikum? Was wie ein Oxymoron klingt, ist zu meinem neuen Arbeitsalltag geworden, und ich kann sagen, trotz aller Herausforderungen und Planungsschwierigkeiten, macht es mir großen Spaß! Und streng genommen sind ja auch noch alle da, Autor*innen, Künstler*innen und Publikum, nur eben jede*r bei sich zu Hause. Ebenfalls von zu Hause aus entwickle ich daher derzeit neue Ideen für digitale Programme, suche Alternativlösungen für bereits abgesagte oder gefährdete Veranstaltungen und lese stapelweise Bücher für das Herbstprogramm. Besonders wichtig ist für mich hierbei vor allem der stete Austausch mit Kolleg*innen und Künstler*innen.

Was für Formate brauchen wir jetzt? Welche Botschaften und Themen sind uns gerade wichtig? Und wie können wir diese derzeit am besten vermitteln? Das kulturelle Leben geht auf jeden Fall auch mit Corona weiter, nur die Methoden und Wege ändern sich dabei gerade etwas!

Wenn ich bei meinen kurzen Abstechern in die Monacensia durch das derzeit menschenleere Forum Atelier gehe, freue ich mich trotzdem schon wieder sehr auf die erste Veranstaltung mit gut gefüllten Stuhlreihen, wenn mir unser Veranstaltungstechniker Wolfgang Schredl kurz zunickt, die schwere grüne Tür knarrend zugezogen wird und das Licht gedimmt wird.


Ungewöhnlich leer ist es derzeit im Forum Atelier, bald können wir unser grünes Tor hoffentlich wieder öffnen. Foto: Sylvia Schütz

Wolfgang Schredl, Veranstaltungs- und Ausstellungstechnik

In Zeiten ohne Publikumsverkehr konzentrieren sich meine beruflichen Aufgaben verstärkt auf die Instandhaltung und Wartung der bei uns in der Monacensia eingesetzten Haus-, Sicherheits-, Museums- und Veranstaltungstechnik. Als technischer Ansprechpartner koordiniere ich Wachdienst- sowie Reinigungsbeauftragungen, Firmenanfragen, technische Pächteranfragen unseres Cafè MON und notwendige Bestellungen von Verbrauchsmitteln. Zudem unterstützen mein Kollege aus dem Kommunalreferat und ich den reibungslosen Ablauf mit unserem Fahrdienst und erfüllen verwaltungstechnische Aufgaben.

Mit den steigenden Temperaturen rückt unser Außenbereich wieder verstärkt in den Fokus und erfordert zusätzliche Pflege- und Gestaltungsmaßnahmen sowie die Inbetriebnahme des hauseigenen Brunnens.

Ich hoffe, dass die Beschränkungen bald aufgehoben werden und dass sich unsere Besucher bald wieder an unserem Kulturprogramm im Hause und dem schönen Außenbereich erfreuen können. 

P.S.: Ich möchte mich bei der Stadt München für die Freistellung zur Betreuung meiner Söhne bedanken.


Digital trifft Analog, Foto: Tanja Praske

Tanja Praske, Digitale Vermittlung Erika Mann-Ausstellung

Gehe ich wegen Corona die digitale Adaption der Erika Mann-Ausstellung anders an? Jein. Das Livestreaming von Veranstaltungen, das wir seit Oktober 2019 mit positiver Resonanz und vielen Lerneffekten für Zukünftiges auf Twitter, Facebook und Instagram einsetzten, fällt aus. Die Chancen des Digitalen bleiben. Unsere interne Kommunikation hat sich verändert, sie ist digitaler geworden mit Video-Konferenzen, Slack und Trello.

Aktuell entwickeln wir neue Konzepte, bereiten vorhandenes, noch nicht gezeigtes Material auf und denken Aktionen weiter. So gibt es noch den umfänglichen Audio-Mitschnitt von unserem Video-Interview mit Frido Mann. Daraus soll ein Podcast für den Soundcloud-Kanal der Münchner Stadtbibliothek entstehen. Audio bietet faszinierende Möglichkeiten für digitale Formate mit Autor*innen und Künstler*innen. Gleiches trifft auf den Einsatz von Bewegtbild für die verschiedenen Social-Media-Kanäle zu. Wir können vielseitige Geschichten im Social Web erzählen, ob O-Töne von #ErikaMann oder die Ausstellung ergänzende Themen. Ein spannender Prozess!

Der BloggerWalk im vergangenen Oktober sowie die Vernetzungsaktion #ErikaMann im März bieten anregende Ansätze, den Austausch mit den verschiedenen Communitys auszubauen. Das führt zu bereichernden, unvorhergesehenen Ideen, wie den Sketchnote-Rundgang durch die Erika Mann-Ausstellung von Anna Heger. Also, weg mit den Filterblasen, hin zur Diversität, die wir vice versa und als dynamischen Prozess verstehen – zwischen uns und unseren (digital) Besuchenden.

Zentral für uns dabei: Gemeinschaftlich Austausch und Miteinander im Analog-Digitalen gestalten.


„Pop und nochmal Pop!“, Foto: Sylvia Schütz

Sylvie Schütz, Programm- und Öffentlichkeitsarbeit

Was ich derzeit mache? Weitermachen, so gut es geht. Meistens im Büro, und ab und an im Homeoffice. Dann sitze ich am zum Schreibtisch umgewidmeten Esstisch. Zum Beispiel mit Rainald Goetz, der mir mit blutig geritzter Stirn entgegen brüllt „Pop und nochmal Pop!“ und „Alles, alles, alles geht uns an!“. Das war bei seiner legendären Lesung beim Klagenfurter Bachmann-Preis 1983. Ein großartiger und im wahrsten Sinne des Wortes einschneidender Moment der deutschen Literaturgeschichte. Und warum mache ich das?

Ich recherchiere gerade für unsere nächste Ausstellung „Pop Punk Politik. Die 1980er Jahre in München“. Das Buch vor mir trägt den Titel „Als die Welt noch unterging“. Geschrieben hat es der Pop-Theoretiker Frank Apunkt Schneider. Der retrospektive Blick in diese Ära der prophezeiten und eingetretenen Katastrophen – die Angst vor dem Atomkrieg, Pershing-Raketen, Wackersdorf, Tschernobyl, AIDS ist berührend – gerade jetzt. Den allgegenwärtigen Weltuntergangsszenarien setzten Pop und Punk Vitalität und Wut entgegen – „Gefühl und Härte“ oder „Spiel und Revolte“ lauteten Slogans von damals. Kunst wurde politisch, Ästhetik wurde politische Praxis. Der Blick zurück ist gleichzeitig auch ein Blick nach vorne. Und das ist gut.

Die Ausstellungseröffnung ist eigentlich für den Oktober geplant. Doch was kann man gerade schon planen? Welche Corona-Klausel ist vertragstauglich? Machen wir das Beste daraus. Wenn Plan A nichts wird, dann Plan B – aber der hat allgemein keinen guten Ruf – dann also Plan C oder D. Wir arbeiten dran.


Friedlich, aber auch ein bisschen verlassen – hoffentlich nicht mehr lange! Foto: Anke Buettner

Anke Buettner, Leitung

Die Stille in der Monacensia kommt mir fast surreal vor: Der Garten gehört unseren zahmen Krähen und Eichhörnchen. Kein Publikum ist im Haus, im Café. Kein Programm, keine Schulklassen. Im Hintergrund ist die Arbeit jedoch gleich bewegt geblieben. Vielleicht macht der Kontrast das Knirschen im Getriebe für mich deshalb noch lauter als bisher?

Dass Corona die Kulturinstitutionen weiter lähmen könnte, treibt mich um. Ich mache mir ernsthaft Gedanken, ob unsere dringend benötigten Stellen für digitale Vermittlung und Kulturvermittlung nun in noch weitere Ferne rücken. Andererseits: Wann, wenn nicht jetzt, liebe Politiker*innen? Stehen wir nicht vor einer Art digitalem Restart? Wäre das nicht die Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit und Solidarität? Ich möchte die Corona-Zeit auf jeden Fall für die Monacensia nutzen, um genauer zu fragen: Wer traut sich überhaupt in unsere Villa? Für wen machen wir Programm? Wer fehlt bislang im literarischen Gedächtnis der Stadt? Auf welche Fährten können wir Wissenschaftler*innen setzen? Und deshalb sitze ich nun da, lese mich in Förderrichtlinien ein und schreibe u. a. Anträge.


So viel zunächst von uns, was uns in Corona-Zeiten beschäftigt: Divers sind unsere Aktivitäten – analog wie digital.

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