„Meiden Sie meinen Mann, wenn er Hochdeutsch spricht!“

In der August-Ausgabe der Schätze der Monacensia stellen wir Euch diesmal eine Persönlichkeit vor, die für uns von größter Wichtigkeit und Bedeutung ist. Man kann sogar sagen, ohne ihn gäbe es uns – die Monacensia – und damit auch all unsere Schätze heute vermutlich gar nicht: Hans Ludwig Held, ehemaliger Direktor der Münchner Stadtbibliothek, Gründer der Monacensia-Bibliothek und ein außergewöhnlicher Repräsentant der Münchner Kultur.

Hans Ludwig Held – eine Ausnahmepersönlichkeit

Der Vater der Schätze

Religionsphilosoph ohne Abitur und Studium, Schriftsteller, sozialistischer Kommunalpolitiker, Direktor der Münchner Stadtbibliothek, Kulturbeauftragter der Stadt München, Ehrenmitglied unzähliger bedeutender Vereinigungen, Honorarprofessor der Münchner Universität, Mitglied der Akademie der Schönen Künste und vieles mehr – Hans Ludwig Held, kurz „Haluhe“, war in jeder Hinsicht eine Ausnahmepersönlichkeit.

Ludwig Held um 1950 (Foto: Münchner Stadtbibliothek/ Monacensia)

Der am 1. August 1885 in Neuburg an der Donau geborene Held war außerdem ein richtiges „Münchner Original“ mit deftigem Humor, der sich seiner Einmaligkeit bewusst war und sein Image auch zu pflegen verstand.

Meiden Sie meinen Mann, wenn er Hochdeutsch spricht!,

so Helds Frau Margarethe über ihn. Sein langjähriger Mitarbeiter Richard Lemp beschreibt ihn als klein, im Durchmesser kugelrund, in der Draufsicht einem gestauchten Rechteck ähnlich, mit massigem Kopf und Knebelbart (Kinnbart mit einem gezwirbeltem Schnurrbart). Er trug stets über einer Weste Gehrock mit Plastron (breite weiße Krawatte) und Vatermörder (steifer, vorne offener, hoher Stehkragen), im Sommer vielleicht ein Lüstersakko (Jacke ohne Futter).

Direktor der Münchner Stadtbibliothek 1921-1933 und 1945-1953

Als Universalgelehrter, Herausgeber, Bibliograph und manischer Büchersammler war er die ideale Besetzung für die Position an der Spitze der Münchner städtischen Bibliothek, damals „Büchersammlung der städtischen Kollegien“. Mit klarer wissenschaftlicher und zugleich volksbildnerischer Konzeption organisierte er die Sammlung neu und baute sie systematisch aus. Seine Vision: Die Stadtbibliothek zur echten Bildungsbibliothek zu machen, aber auch zu einer Bibliothek für das Volk. Ein anspruchsvolles Unterfangen!

Als Spezialsammlungen kamen die Musikbibliothek und die Philatelistische Bibliothek hinzu, ebenso wie Kinderlesestuben und die städtische Jugendbibliothek. Mit der Wanderbücherei – eine „Bibliothek auf Rädern“ in einem ausrangierten Trambahnwagen – brachte er Lesestoff auch in entlegenere Stadtviertel und legte damit den Grundstein für unsere heutigen Bücherbusse.

„Dem Vater des städtischen Büchereiwesens in München“ – Vorsatz in einem Buchgeschenk
(Foto: Münchner Stadtbibliothek/ Monacensia)

Gründung der Monacensia

Kurz nach seinem Amtsantritt verfügte Held die Zusammenführung und die systematische Beschaffung aller neu erschienenen Bücher über München und von Münchner Schriftsteller*innen und gründete damit die Monacensia-Bibliothek. 1924 legte er dann den Grundstein für eine „Autographensammlung“, das heutige Literaturarchiv der Monacensia. Das Projekt startete er, indem er unzählige Briefe an Münchner Persönlichkeiten schrieb und sie darum bat, uns ein oder das andere Ihrer geschätzten Manuskripte schenkungsweise zur Verfügung zu stellen.

Und tatsächlich: Bis Juni 1930 verzeichnete der Katalog der Handschriftensammlung stolze 6696 Zugänge. Vertreten war, was Rang und Namen hatte im München jener Zeit; darunter auch Thomas Mann mit seinem ersten und einzigen Drama „Fiorenza“.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Hans Ludwig Held wegen seiner früheren politischen Tätigkeit als Fraktionsvorsitzender der USPD im Münchner Stadtrat aus seinem Amt entfernt. Er zog sich in den Vorort Unterhaching zurück und legte dort als Privatmann einen unter Fachleuten berühmten Mustergarten an. Er schrieb ein Gartenbuch und ein Büchlein mit homöopathischen Rezepten für alle möglichen Krankheiten.

Wer kam, wurde gleich angestellt, im Garten mitzuhelfen …,

so erinnerte sich der Universitätsrektor Walter Gerlach in seiner Gedenkrede für Held.

Nach dem Krieg

Nach dem Krieg wurde Hans Ludwig Held wieder in sein Amt als Stadtbibliotheksdirektor zurückgeholt und zum städtischen Kulturbeauftragten bestellt. Er beschäftigte drei Vorzimmerdamen und eine Reihe von Mitarbeiter*innen, hatte unüberschaubar viele Termine und wurde ständig von Hilfesuchenden belagert, für deren Anliegen er immer Zeit fand.

Am 3. August 1954, zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag, starb Hans Ludwig Held an den Folgen eines Gehirnschlags.

Zeichnung von Franziska Bilek zu Helds 65. Geburtstag
(Foto: Münchner Stadtbibliothek / Monacensia)

Die Monacensia hat ihrem Gründer viele Schätze zu verdanken, die durch seinen engen Kontakt zu den Literat*innen seiner Zeit und durch seinen Nachlass ins Haus kommen. Eine Kostbarkeit ist z. B. der Briefwechsel mit Franziska Bilek, mit der ihn eine besondere Freundschaft verbindet. Außerdem hinterließ Hand Ludwig Held München seine umfangreiche Privatbibliothek, die mit ihren 25.000 Bänden in der Münchner Stadtbibliothek aufbewahrt wird.

… einer der originellsten Menschen … so echt und vollzählig in allen seinen Eigenschaften. Aber mir fällt es schwer, mich mit ihm zu unterhalten, denn er sagt die gelehrtesten Dinge auf Bayerisch …

Rainer Maria Rilke

Autorin: Christine Hannig, Leiterin Monacensia-Bibliothek

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Monacensia

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